Gitter und Perspektive( Nr. 85)

Gitter als  Hilfsmittel perspektivischer Darstellung und Gitter als künstlerisches Motiv

Blatt mit Notizen zum Thema 

Zur unverzerrten Konstruktion und Darstellung der Zentralperspektive war das Quadrat-Gitter notwendig. Es war ‚die‘ Erfindung der Renaissance. Nur so gelang es Verkürzungen von Körpern und Räumen in die Fläche zu projizieren.

Mit der Erfindung der Fotografie (patentiert 1839) war dieses Unternehmen beendet. Für die Künstler war eine andere Eigenschaft der Fotografie beeindruckend : ihre Unbestechlichkeit. Sie hält neutral alle vor ihrem Objektiv erscheinenden Einzelheiten fest. Perspektive und Projektion waren aus dem Zentrum der Kunst gerückt; Gegenständlichkeit bekam eine neue Qualität und Bedeutung und mit ihnen das Bild als Objekt. Einprägsam ist Picassos Aussage, dass er bei Porträts Nasen in ihren wirklichen Abmessungen darstellen wolle. Auf dieser Ebene bekam das Gitter neue künstlerische, aber auch naturwissenschaftliche Bedeutung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es zur Matrix der Kunst- und Architektur-Richtungen „De Stijl“ und „Bauhaus“(gegründet  1919). Das Gitter selbst wurde zum Kristallisations-Ansatz und Ordnungssystem aller möglichen Formen von Gestaltung.

AvC, „Da ist Leben im Gitter“, 2017; Aquarell, Feder, Tusche, 27×37 cm

Für mich ist das ungeheuer spannend. Kunst ereignet sich im Spiel mit diesem Ordnungssystem. Davon war ich offensichtlich schon vor dem  Kunststudium überzeugt. Bereits im ersten Semester kam es zum Streit mit dem Professor, der beim Zeichnen vor der Natur auf der Zentralperspektive bestand. Meine Nerven zogen den Kürzeren und ich unterbrach das Studium für zwei Jahre.