Perspektive, Perspektiven (art77blog Nr.149)

AvC 2018 „Wilhelmstift“, 55x 75 cm, Acryl auf Bütten ©️

Wenn wir heute von Perspektive  sprechen , dann ist das die Zentralperspektive. In ihrer strengen ,mathematischen Form wurde sie zuerst in Italien im 15. Jhdt  konstruiert (Brunelleschi, Alberti) und hat seitdem unsere bildlichen Darstellungen und Vorstellungen bestimmt. Denkt man an die Fotografie, dann ist die Zentraleperspektive allgegenwärtig . Wie sehr wir bereit sind, diese Darstellungsweise als einzig gültige zu akzeptieren, merken wir an unserem Verhältnis zur Kinderzeichnung, zu mittelalterlichen Darstellungen, Simultanbildern , Volkskunst und uns ‚fremder‘ Kunst einschließlich religiös begründeter Bilderverbote. Der Gedanke, dass die Perspektive in der Neuzeit in verschiedenen Zusammenhängen ein imperialistisches und kolonialistisches Instrument geworden ist, liegt da nicht so fern. ( Vergleiche dazu u.a.Horst Bredekamp und Hans Belting). Jetzt zur Praxis.

Im Falle des „Wilhelmstift“ habe ich links einen Flügel des Gebäudes abgebildet, der beim Blick auf das grosse Tor zum Innenhof nicht zu sehen ist. Auch auf Kosten übertriebener Breite habe ich etwas von der Masse der Anlage vermitteln wollen. Wir kennen solche Effekte heute von Panorama- Bildern.

AvC ©️2018, „Hohentübingen“, Grafit und Acryl auf 55x75cm Bütten

Beim Schloss „Hohentübingen“ bin ich so vorgegangen, dass ich die ganze Anlage hochgeklappt habe. Das erinnert u.a. an die Darstellungen von Klöstern, die noch bis ins 19.Jhdt. in der Vogelperspektive erfolgten. So vermittelt sich die Vorstellung der Komplexität solcher Anlagen.

English Summary 

Drawing and painting two landmarcs of the  city of Tübingen, I stumbled straight in to the questions of central perspective and its dominance in modern history since 1500 a.c. I chose a panoramic and a bird-view perspective.

 

 

Abstrahieren, abstrakt, Stil (art77blog Nr. 148)

AvC, Tübingen 2018, Bleistift, Aquarell, Marker, 40x30cm.©️Axel von Criegern 2018

Die Geschichte des Begriffs ‚ abstrakte Malerei‘ ist faszinierend aber auch verwirrend (vergl. Fassmann, Kurt: „Abstrakte Malerei“ in Kindlers Malerei  Lexikon, Zürich 1985, Bd. Begriffe). 

Für mich waren und sind Piet Mondrians Bilderserien zum ‚Apfelbaum‘ oder ‚Meer‘ modellhaft für die Wandlung der naturnahen Auseinandersetzung  zu einer abbildfreien Bildsprache. Das ist ein grosser Unterschied zu Picasso, der sich nie vom Gegenstand getrennt hat. Paul Cezanne wird zu Recht als Stammvater dieses neuen Bildbewusstseins gesehen. Bekannte Positionen waren dann neben Mondrian, W. Kandinsky, Malewich , die Bauhaus-Lehre, Futuristen und Konstruktivisten. 

Zwischen dem ‚Abstrahieren‘ und dem Vermeiden von Gegenstands-Bezügen sehe ich den individuellen, ureigenen ,Stil‘. Man beginne nur auf einem Stück Papier, ohne Gegenstand aber mit ,Bild-Absicht‘ zu zeichnen. Es wird einem schnell klar, ob man festen Boden unter den Füßen hat, sprich sich im Territorium des eigenen Stils befindet. ‚Stil‘ ist wie ein Haus, das von den Grundmauern bis zum Dach entworfen und gebaut wird. Und ‚Stil‘ ist eine ‚Handschrift‘, die nicht vom Material oder Dimensionen abhängig ist. Er wächst heran wie die Persönlichkeit, ansonsten spricht man zu Recht vom ‚Stilisieren‘.

English Summary

To abstract something in art means to reduce an image to its essential issues. If we talk about ‚abstract art‘ it means an art without any representational intention, no reference to any real object. This concept of art has its origins in the nineteenth century, starting with Paul Cezanne and the impressionists. In the beginning of the twentieth century cubisme, futurisme, Piet Mondrian, Kandinsky, Malewich and the Bauhaus stand for important positions of this new art. ‚Style‘ is for me a very personal issue that basically has nothing to do with abstract art. A personal language in terms of art.

 

Die Dichter (Rederijkers)art77blog Nr.146

Axel von Criegern:„Rederijkers“, 2018. Acryl auf Leinwand, 100x70cm

Die Idee auf schwarzem Grund zu malen kam mir beim Betrachten der Fröhlichen Gesellschaften meines ‚Wahlverwandten‘ Jan Steen (1626-1679). Beim jüngsten Versuch habe ich das Thema der Versammlungen  von Laien-Dichtern, den ,rederijkers‘, in ihrem Vereinslokal übernommen. Sie waren bei Steen Zielscheibe gutmütigen Spotts. Ich denke dabei an den ,Peter Squenz‘ von Andreas Gryphius oder Shakespears ,Sommernachtstraum‘.

Auch hier habe ich eine Leinwand schwarz grundiert und dann darum gekämpft, dass die Buntfarben nicht vom Grund aufgesaugt werden. Das gelang nur in mehreren Schichten und kräftigen Weissaufhellungen. Die ganze Komposition wurde von diesem Streit zwischen  Licht und Dunkelheit bestimmt. Das weibliche Profil am linken Bildrand bekommt vor diesem Hintergrund eine eigene dramatische Rolle jenseits der Selbstdarstellung der Dichter. Beim ersten Bild dieser schwarzen Reihe (art77blog, Nr. 144) hatte ich fragile Linien zur Verbindung der Farbflächen benutzt. Gleichzeitig waren Sie Zeichen für ,Raum‘. In ähnlicher Funktion habe ich auch hier die Linien eingesetzt. Sie spannen sich wie Drähte über den dunklen Grund. Die Mitte wird durch ein ,Fadenkreuz‘ vor der Nase des Ober-Dichters markiert.

English Summary 

 ‚Rederijkers‘ were the laymen-poets in 16th / 17th century in oud Holland called. Jan Steen did in some of his paintings mock on them. In my approach to Steen I tried again painting on a black ground. The light female profile on the left is the counterpart to the weird ‚poets‘. The thin lines give hold to the colour patches and stand for space.