Chaos ist heilsam!? (Art77blog.axel-von-criegern.de Nr.253)

„Komm ins Offene, Freund!“ Blechschnitt, Acryl, 50x35cm, ©️2020

Vorhin sagte mir mein Freund Wolfgang (#Buchhandlung „Don Quichotte“,Tübingen) , dass es von #Bert Brecht ein Zitat zur Notwendigkeit der Widersprüche für die Hoffnung gebe. Mein wiederholtes Jammern über meinen art77blog in Facebook hatte ihn daran erinnert. Allerdings hatte ich mir ausgehend vom Wort „quixotic“ (Nr.251) über #Edouard Glissants „Chaos“ der kreolisch-karbischen Kulturen (Nr.252) zur „Indexikalität“ der Gegenwartskunst ( #Diedrich Diederichsen: Körpertreffer Zur Ästhetik der nachpopulären Künste. Suhrkamp 2017) ein regelrechtes künstlerisches ‚Schleudertrauma‘ zugezogen. Ich musste ruhiger werden! Ein starkes künstlerisches Argument war der Zufallsfund eines kleinen Aquarells von #Julius Bissier von annähernd narkotischer Ruhe („23.August 1961“). Eine geradezu ‚geerdete‘ Unterstützung kam von meinem 20-jährigen Enkel Max, der sich zu meinen ‚bildhaften‘ Blecharbeiten bekannte. Uff! Nun konnte ich beschwingt meine aktuelle Arbeit zu Ende bringen. Gern nahm ich #Hölderlins, an seinen Freund #Neuffer gerichtete ermutigende Aufforderung auf: #„Komm ins Offene, Freund!“, die ich spontan auf dem Blech festgehalten hatte.

English Summary

I had imagined that doubts and contradictions caused by studying books and papers on art would be important for my artistic development. But that must not necessarily lead to a crisis! But this has happened during the last weeks. Maybe I had overdone, maybe that had to do with the weekly editing of art77blog. Anyhow, what I learned from this experience was to post more relaxed and flexible, less hectic. Let’s see whether it works !😉

Vom „quixotic“ zum „chaotic“ (art77blog.axel-von-criegern.de, Nr 252)


„Don Quichotte und Dulcinea“, Alublech-Schnitt, Acrylmarker,Lack, 50x32cm.©️2020

Das englische Wort „quixotic“ hat bei mir über die Roman-Figur des #Don Quichotte (Cervantes) die Tür zu einer fantastischen, spielerischen Kreativität weiter aufgestoßen (#art77blog Nr 251). Bei #Edouard Glissant, Kultur und Identität. Aufsätze zu einer Poetik der Vielfalt (Wunderhorn 2013,deutsch,2.Aufl.) entdeckte ich eine weitere „quixotische“ Perspective. In Martinique mit #kreolisch und französisch aufgewachsen, war er ein nachdrücklicher Verfechter der eigenständigen kreolischen, #karibischen Kulturen. Im Unterschied zu den auf verschriftlichten Gründungs-Epen und linearem, logischen Denken aufbauenden abendländischen Kulturen sieht er die karibische Kultur als mündlich und schriftlos, offen, rizomisch, rhythmisch und #„chaotisch“. Chaotisch wird von ihm positiv im Sinne des Unvorhersehbaren in der Welt verstanden. Sehr spannend wird es dort wo er Kino ,Skulptur und wahrscheinlich alle Künste zur „Oralität“ schlägt. Was das Verhältnis der extrem gegensätzlichen schriftlichen und mündlichen Kulturen angeht, sieht er die Notwendigkeit der Toleranz und die Chance des offenen Austauschs.

Für mich ist die Vorstellung von der #Oralität der Kunst verbunden mit einem enormen Erkenntnis-Schritt. Schließlich hatte ich als junger Künstler das „Chaos“ der abendländischen Kunst negativ als Bedrohung erlebt (1960ff.) und Zuflucht in der Geisteswissenschaft, der Linearität des Denkens, Logik und Aufklärung gesucht. Wenn ich nun das Chaotische, Nicht-systemische, Nicht-logische,Nicht-folgerichtige, Nicht-zielgerichtete als gleichwertig positiv verstehen ‚darf‘, dann ist das eine neue Perspektive für unsere Kunst. Der Rechtfertigungsdruck fällt ebenso weg wie das Ranking, willkürliche Qualitätsaussagen und beschämende theoretische Überbauten. Das Chaos ist im griechischen der leere, offene Raum. Wandelt man ein berühmtes #Hölderlin-Zitat „Komm ins Offene, Freund“ in diesem Sinne ab, hieße es : „Komm ins Offene, Künstler!“

English Summary

What I imagined the word „quixotic“ could mean for the artists creativity (art77blog Nr 251) was topped by „chaotic“ reading a booklet by the creol-french author Edouard Glissant about the Caribbean cultures: Kultur und Identität. Ansätze zu einer Poetik der Vielheit (second german translation/ edition,Wunderhorn 2013). He focusses on the extreme differences between written european cultures with their linear thinking and the oral , „chaotic“ caribbean, creole culture. Chaotic means here free of restrictions- creative, impulsive and emotional. For me was it a big surprise that Glissant puts the arts in these cultures on the oral side. I can imagine that contact and exchange are a big chance for both cultures- including the artists.