„Unaufhörliche Transformation“(art77blog.axel-von-criegern.de, Nr.239)

“Allegra“, Buntstifte und Bleistift, 35x24cm©️Von Criegern 2020

Für mich hat es das harmlose Titelbild ‚in sich‘; entstand es doch an einer Stelle wo ich mit meinen Studien zur „Musikalität“ plastischer Formen überraschend auf eines meiner (nach Picasso) frühen Idole, Piet Mondrian, stiess. Seine letzten ‚Boogie-Woogie‘ – Bilder hatte ich bisher immer nur als faszinierend schön wahrgenommen, ohne seiner Verbindung zur Musik nachzugehen. Durch den Katalog „Vom Klang der Bilder. Die Musik in der Kunst des 20.Jahrhunderts“ von Karin von Maur zu einer Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart 1985 herausgegeben, wurde ich wieder in die Zeit um 1900 zurück geführt. Hier erlebte das ausgehende Jahrhundert der Explosion der Wissenschaften und der Visionen vom Gesamtkunstwerk seinen krönenden Abschluss. Einer der Mitbegründer der niederländischen Gruppierung „de Stijl“, Theo van Doesburg nannte die Dynamik, die im Künste-übergreifenden Verständnis mitschwingt, die „unaufhörliche Transformation“. Dieser große Zusammenhang von Jugendstil, de Stijl, Werkbund, Bauhaus, Futurismus, Dada bis hin zur Fluxus- Bewegung, von Rudolf Steiner bis zu John Cage muss gesehen werden, um Mondrians Entwicklung vom Impressionisten zum asketischen rechten Winkel und drei Grundfarben zu verstehen. Mein eigenes Bemühen um eine bescheidene Erweiterung der Gattungsbeschränkungen, das weit weg ist von diesen großen revolutionären Bewegungen, muss da recht provinziell erscheinen. Aber es ist interessant dem nachzugehen wo meine harmlose „Allegra“ ihre Wurzeln hat.

Lit. Karin v. Maur, „Mondrian und die Musik im Stijl“, in : Karin v. Maur (Hg.) Vom Klang der Bilder. Die Musik in der Kunst des 20.Jahrhunderts. (Prestel 1985), S.400-407.

English Summary
I guess that nobody can imagine the context where my little drawing comes from. Studying a fascinating book about the part music plays in the visible arts of the 20.ct. I realized
how much I am obliged to all the artists that worked for breaking down the boarders between the arts. Personally was it a real homecoming to realize that Mondrian belonged to the generation of artists who tried to bring art and music together (see Lit. Karin v. Maur).

Garten-Stück (art77blog.axel-von-criegern.de,Nr.238)

In der zu Ende gehenden Woche habe ich über mein im Lauf der Corona -Krise sich veränderndes Verhältnis zur Natur nachgedacht. Eine ungefähre Beschreibung könnte eine „ästhetische Intimität“ sein. An einem alten Motiv, das schon im frühen Ägypten vorkam, einem Detail eines Gartens, wollte ich der Sache praktisch auf den Grund gehen.

Bild1

„Garten-Stück“, Aquarell 30x40cm,©️2020

Ich habe einen Ausschnitt gewählt, der von drei Pflanzen (nach Formen und Farben) bestimmt wurde. Rechts sieht man auf dem Bild die violett-blaue Blütenkugel einer „Allium“ -Art ,links davon ganze Büschel gelb-orangener Akelei und ganz links die hohen, weißen Kerzen einer Acanthus-Pflanze. Mit einem mittleren Haar-Pinsel (6) auf grob gekörnten Aquarell- Papier habe ich versucht die charakteristischen Formen und Farben zu erfassen. Die letztlich spannungslose Reihung der Pflanzen auf dem Querformat fand ich nicht befriedigend.

Bild 2
„Garten-Stück“, Aquarell, Feder und schwarze Tusche, 30c23cm, ©️2020

Bei den folgenden Arbeiten, die ich im Atelier fertigte, wurden auf Hochformaten, die ich gern mag, die Pflanzen enger zusammengerückt. Die blaue Kugel wurde zum Hauptmotiv. Auch beim zweiten Bild, bei dem ich schwarze Tusche und Feder für Texturen verwendete, kam ich über die brave Reihung der Pflanzen nicht hinaus.
Der Sprung zu Bild 3 war dann erheblich.

Bild 3
„Garten-Stück“, Aquarell, ©️2020

Deutlich ist die Wende zur Bild-Ästhetik zu erkennen. Jedes Teilmotiv wurde als ‚Spieler‘ in einer lebendigen Situation eingesetzt. Das stehengebliebene Weiß schafft Abstände zwischen den Farb-Zentren und regt das Auge zum vergnüglichen „Ping-Pong“ ein.

Bild 4
Acryl- Garten/Stück zerrissen

Die Reste von Bild 4 zeigen kräftige Acrylfarben. Hier folgte ich dem Bedürfnis durch Verdichtung zu einem Bild-Objekt zu gelangen. Einfach gesagt wurde das unerträglich ‚knallig‘.

Bild 5:
„Garten-Stück“, Aquarell und Papierschnitt.©️2020

Die Sehnsucht nach dem Objekt, dem Bild als Gegenstand blieb. Schließlich hatte ich ja fast zwanzig Jahre aus Blechen Bildobjekte geformt. Das ging jetzt soweit, dass ich vom Gartenstück in Blech mit kräftigen Lackfarben bemalt,träumte. Unter diesem Eindruck wurde dann der nächste Aquarell-Versuch so dicht, dass das Aufschneiden des Papiers einer Befreiung und Flucht nach vorn gleichkam. Jetzt war allerdings das Bildmotiv zugunsten des Bildobjekts entschieden in den Hintergrund gedrängt.

Bild 6:
„Garten-Stück“, Aquarell auf handgeschöpftem Bütten.©️2020

Die letzte Chance den ursprünglich eingeschlagenen Weg zu meinem Garten-Aquarell noch glimpflich zu Ende zu gehen, ergab sich beim Blättern in meinem Papiervorrat. Ein schweres handgeschöpftes Bütten kam dem Objekt-Bedürfnis entgegen und ließ doch die Leichtigkeit des Aquarells zu.

Was ich eingangs als „ästhetische Intimität“ bezeichnet hatte, könnte als eine Form moderner „Aneignung“ bestimmt werden . Es geht nicht um das Erforschen der Natur, nicht um Stimmung , sondern in erster Linie um Kunst, um die Bearbeitung der Natur-Motive mit den Mitteln meiner künstlerischen Methode. Das Naturmotiv wird zum Kunstmotiv! Das ist allerdings ein Allgemeinplatz für alle künstlerischen Äußerungen. Aneignung meint eine Form des ‚Untertan- machens‘, hier eine ästhetisches Besitzergreifung .

English Summary
on my walks during the Corona crisis I watched a light shift of nature-sensitivity. Watching became more attentive, almost intimate. In a series of garden -water colours i could experience that this intimacy switched to appropriating. There was nothing of worshipping or romanticism left. I wanted to get hold of nature, make it one of my art objects.


„Vogelfrei“.Die Freiheit der Kunst (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.237)

Axel von Criegern: „vogelfrei“, Feder,Tusche, Farbstifte; 40x65mm, ©️2020


Das Bildchen ist begründbar so klein ausgefallen. Unter den Eindrücken der Corona-Krise hatte ich vor, in dieser Woche etwas zum Themenbereich „veränderte Wahrnehmung’ Zufälle und hemmungslose Ich-Kunst“
zu schreiben und zu skizzieren. Diese Themen erwiesen sich schnell als erdrückend groß. Nicht nur die Flut der Notizen, sondern auch die ‚schwierigen‘ Skizzen könnten davon zeugen. Vorgestern Abend entstand eine große ‚Briefmarke’ als Randzeichnung auf einem Notizblatt- ohne Absicht und ohne Themenbezug. Ich erinnere mich an das Gefühl der Entspannung und Entlastung. Das hatte nichts mit deprimierenden Nachrichten zu tun und war keine Geste des Protests und Panikmache. Und doch war es für mich eine bescheidene, stille Demonstration von Freiheit der Kunst. Ein in diesem Kontext unerwarteter Gruss aus dem heiteren Reich der Kunst,der allerdings unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch einen bitteren Beigeschmack erhält: die Freiheit der Zeichen und Farben verweist auch auf die „Vogelfreiheit“. Die reale Not vieler Künstler und Kulturschaffenden und die ungewisse Zukunft ist der keineswegs frohe Freiheits-Chor im Hintergrund.

English Summary
The issue of this post ought to be some reflections on troubles freelanced artists have right now. The notes I took and my corresponding designs were simply depressive. The night before yesterday I had pretty absent
minded taken a tiny pen and ink ‚note‘ that was quite different from the rest. It was light and playful. I liked this obvious contrast to my original subject and added some colours. Finally I decided that this would be as well an appropriate reaction on the sad situation the arts are involved. Not for the first time art doesn’t play any part in the political masterplans. Artists don‘t have a lobby. Either we react politically or ‚sing‘ our song as good as we can: free as a bird.

Just a marginal ,note‘.©️
Wirklich winzig!©️

Mein „Wochenwerk“ (art77blog.axel-von-criegern. Nr. 236)

„Integrierte Blog-Seite“. Acrylstifte, Aquarell,Grafit,Feder…40×30 cm, ©️v.Criegern,2020

# corona-covid-stuff
#exclusive text-image-units
# Wochen-Werk
#weekly
Jeden Freitag veröffentliche ich einen Beitrag in meinem blog „art77blog“. Das bedeutet: Jeden Freitag erscheint eine Arbeit, die aus Bild und Text besteht und für die ich eine Woche Zeit hatte. Es ist wie bei Auftragsarbeiten, nur dass ich selbst der Auftraggeber bin. Die Bedingung für diese „Wochen-Werke“ (in Anlehnung an „Tagwerk“) ist, dass Bild und Text als Ganzes entstehen und sich aufeinander beziehen. Ich kann als Regel nicht einmal festsetzen, dass ein Bild Gedanken freisetzt und dann wieder ein Gedanke ein Bild. Häufig ist es eine Situation, aus der beides entsteht. Es ist eine besondere Form der Kunst, die vor fast vier Jahren exklusiv für „art77blog“ entstand (vergl. „art77blog.axel-von-criegern: Wie geht Kunst?“ edition cantz, 2019)
Im heutigen Wochen-Bild spricht die Willkür, mit der einzelne Motive und Techniken nebeneinander stehen, von einer gewissen Verzweiflung und Desorientierung, die sich aber im Bild während der Arbeit glücklich auflöste. In der vergangenen Woche schlugen bei mir die nie endenden Corona-und Covid- Diskussionen voll durch. Zu allem stolperte ich mit Caracho auf der Strasse und zog mir alle möglichen Blessuren zu. Ich fühlte mich wie unter Hausarrest! Die sonst immer sprudelnden Kreativitäts-Quellen drohten zu versiegen. Eine angefangene Holzarbeit lag auf der Werkbank, ‚umgeben von Zweifeln und Sinnfragen‘. Das aktuelle Wochentag -Bild läutete die Wende ein. Von einemTag zum anderen sah ich es als interessantes, leichtes Blatt, das den Weg zu Neuem frei machte.

Nachtrag:
Ich habe den Eindruck als ob Facebook mit meinem Blog-Projekt nicht viel anfangen kann. Die zwanghaften Aufforderungen
für meine Firma und Produkte zu werben und die erstarrte Analytik sprechen eine andere Sprache.


English Summary
Four years from the start of my weekly released „art77blog“ I begin to doubt whether facebook is the right medium for this kind of blog.. During the last week with all this corona-covid-stuff, I felt frustrated. But God blesses the arts! I started somehow doodling helpless on a drawing paper. Every detail was drenged with this sad feeling. Next morning, when I returned in the studio, the terribl
e scratching of the night before had changed into an airy, witty design! I was sure to have opened a new book.Hope came back to me!!

Das Narrativ der Kunst ist die Kunst (art77blog.axel-von-Criegern.de Nr 235)

Ist Gegenstand des Textes.
“Narrativ 1“, Farbstift, 25×18 cm, 2020 C Axel von Criegern


In meiner Vorstellung der offenen Fluktuation von Erzählungen durch alle Medien, wollte ich die Entstehung einer Zeichnung erzählen. Jeden Tag dieser Woche habe ich an diesem kleinen Bild gearbeitet. Zuerst mit begleitenden Notizen und als ich das als störend empfand, mit gedachten Notizen. Ich wollte festhalten, was mir beim Zeichnen durch den Kopf ging. Zwar wurde das Bild immer „stimmiger“, aber rückblickend passten die Gedanken nicht (mehr) zum Bild. Abbruch. Und die Moral von der Geschichte?
Wir denken, wenn wir eine Zeichnung sehen und wir denken, wenn wir eine Zeichnung machen (…künstlerische). Beide Denkwelten sind faszinierend. Wer eine Zeichnung anschaut, versucht die Gedanken des Zeichners nachzuvollziehen und der Künstler geht davon aus, dass das gesehen wird, was er zeichnet. Beide Annahmen sind falsch. Dennoch basiert auf ihnen unser gemeinsames „Kunstdenken“. Der Betrachter ist auf das angewiesen, was er sieht und der sie macht, folgt in erster Linie seiner Kunst. Der Betrachter denkt, daß die Zeichnung nur für ihn gemacht wurde. Ich gehöre zu denen, die das nicht hinnehmen wollen. Logischerweise träume ich von einer „eloquenten“ Kunst und einem „künstlerischen“ Sehen. Ein großes Herz für Comic und Bildgeschichten, Illustrationen, Graffiti und „making of“- Filme wie Clouzots Film „Le Mystere Picasso“ von 1956 (auf YouTube) gehören dazu.

English Summary
I dream of an universal art language based on everythings telling a story: a rock as well as an ambitious philosopher., a trivial spoon as well as a Picasso. But when I tried to tell the story of a drawing, while designing it, happened a strange thing. Although I had recorded almost every word, the line between story and design remained interrupted. This experience taught me to care more about the different languages than the story itself. You probably knew that before!

„Narrativ2“ :Ein Vergleich sollte mit einer anderen Technik neue Erkenntnisse bringen. Das ging daneben und führte zum Titel des Beitrags.