Künstlers Weihnachtsbotschaft (Nr. 114)

Weihnachten 2017

Der spätabendliche Gottesdienst an Heiligabend in der kleinen Dorfkirche hatte in mir einen Widerstand geweckt. Ganz dahinten war wohl Gott, davor aber ziemlich viel Zirkus. Das beschäftigte mich noch zwei volleTage,in denen ich versuchte der Sache auf den Grund zu gehen. Die Geschichte des jüdischen Wanderpredigers Jesus und die Entwicklung der Geburtsdarstellungen seit dem 4.Jh sind zwar sehr spannend, ergaben aber keinen Hinweis auf das Brummeln in meinem Bauch. Als nächstes landete ich bei der Kirchenkritik. Ein riesiges Feld, nicht unbedingt erfreulich und für mein Bauchgefühl eine Nummer zu groß. Gestern mitten in der Nacht erlebte ich dann etwas verblüffendes, ja eigentlich kaum glaubliches. Ich hörte eine Stimme, die von oben rief: „Freiheit, Liebe und Spiel  sind deine persönlichen Geschenke!“  Schlagartig fühlte ich mich frei von jeder Last und glücklich wiederholte ich dieses Mantra immer wieder„Freiheit, Liebe, Spiel“.   Dabei zogen Namen durch meinen Kopf: Martin Luther King in der Kategorie Freiheit, Friedrich Schiller in Bezug auf das Spiel und den ganzen Menschen. Von einigen Menschen wird das Verspielte meiner Kunst immer wieder betont. Der Name Friedrich Nietzsche sollte  wohl  für die Unbegreiflichkeit dieser Situation stehen. Hat aber auch eine naheliegende Erklärung im geplanten Besuch des Nietzsche-Hauses in Sils Maria. Wie sehr ich besagte Unruhe auch meiner Arbeit am blog art77blog zuzuschreiben habe, zeichnete sich darin ab, dass ich an die englische Übersetzung meines Mantras dachte und ob Schiller mit „play, playing“ einverstanden gewesen wäre…Aber da war ich wohl schon zur Hälfte wach.

27. Dez. 2017

.English summary

The christmas service in the little church wasn´t the same as every year- for me. There still was god in the background, but here and now was too much strange action. The other day I  studied the story of Jesus, I studied the devellopment of the representations of his birth beginning in the 4 th century a.c., but it didn´t help. In the following night I heard a voice from above telling me that Freedom, love and  playing were the special christmas gifts for me. OK. I was dreaming, but felt afterwards so happy, that I repeated this mantra even the other day feeling much better now.

Jan Steen (1626-1679) und das Blech ( Nr. 113)

Jan Steen  (1626-1679), Abfahrt von einem Wirtshaus, Staatsgalerie Stuttgart
„Rederijker“
Die Kartenspieler; Aluminium, geschnitten , unbemalt
…und lackiert
Spielmann ( 360 Grad)
Die Bild- „Mannschaft“  auf einer Treppe (mit Künstler)

Die „Abfahrt von einem Wirtshaus“ des niederländischen Malers Jan Steen (1626-1679; Staatsgalerie Stuttgart) habe ich als zweites Bild einer Steen-Reihe verarbeitet. Mit der Bedeutung hatte ich mich im Rahmen meiner Dissertation 30 Jahre zuvor vertraut gemacht. Jetzt war mein Ziel das Bild zu „öffnen“- und zwar in jeder Hinsicht. Wir sollten uns physisch hineinbewegen können und lebendigen Zugang zur „Handlung“ finden. Das erste Konzept war eine Revue mit beweglichen Figuren. Pappe schied  als nicht robust genug aus. So landete ich beim Blech. Die gesamte „Mannschaft“ des Bildes wurde aus Zinkblech geschnitten und farbig lackiert. Die Handlung schrieb ich in Form eines Laienspiels a‘ la Shakespears „Sommernachtstraum“  oder „Herr Peter Squenz“ (Andreas Gryphius). Auch in den Niederlanden gab es vorwiegend von Handwerkern gebildete literarische Gruppen mit dem schönen Namen „Rederijker“, Rhetoriker. Studierende der Kunstpäagogik und der Theaterwissenschaft der Uni Gießen übten das Stück ein. Wir spielten das Stück „ Das Narrenschiff“ auf einer Puppenbühne des Instituts für Kunstpädagogik. Die Figuren wurden mit schwarzen Holzstäben geführt. Die vier schwarz gekleideten Herren sind Rederijker, die den dramatischen Rahmen liefern.

Sowohl für Ausstellungen des Projekts ( 2004 Kunsthalle Giessen, 2004 Kulturhalle Tübingen ; Katalog : „Dramaturgie eines Bildes. Auseinandersetzung mit Jan Steen (1626-1679 ): Abfahrt von einem Wirtshaus“ (ISBN 3-933916-12-7) als auch für größer ausgelegte Aufführungen erarbeitetete ich große Figuren. Sie wurden mit der Stichsäge aus Aluminium geschnitten und bunt lackiert.Faszinierend war die Idee der Tübinger Tanztheatergruppe „Treibhaus“ zum Abschluss der Tübinger Ausstellung mit den Figuren zur Musik rumänischer „Fanfaren“ zu tanzen.

Einen Schritt weiter ging ich mit einem Nicht-Steen-Projekt, in dem ich antike Figuren (Gipsabgüsse) möglichst vollrund aus Zinkblech formte und im Abgußsaal des Universitätsmuseums TüBingen ausstellte. Von diesen Erfahrungen profitierte ich bei einem weiteren Steen-Projekt, in dem ich die Figuren des Kasseler „Dreikönigsfestes“/“Bohnenfestes“ in ca 60 cm hohen Rundfiguren aus Zinkblech nachschuf und 2007 in der Galerie des Künstlerbundes Tübingene.V. ausstellte.

Literatur zu den Steen-Projekten:

Abfahrt von einem Wirthaus. Ikonografische Studie zu einem Thema von Jan Steen. In: Oud Holland. Tijdschrift voor Nederlandse Kunstgeschiedenis 1/1971, S. 9-32 ( Kapitel aus meiner Dissertation).

2oo3 der Katalog zum Stuttgarter Bild Steens (s.o.). Dort eine Reihe von Aufsätzen und Büchern zur Schnittmenge von meinen Steen-Forschungen und der Ästhetischen Erziehung

„Wie die Alten sungen…“ Auseinandersetzungen mit einem Bild von Jan Steen (1626- 1679). Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen ,1999. Dazu erschien ein Katalog. Tübingen, (Gulde)

„Lustige Gesellschaft auf einer Gartenterrasse“. Ein Bild-Bild-Diskurs über ein Gemälde des niederländischen Malers Jan Steen (1626-1679). München, koepäd 2006.

Einen Überblick über meine Steen-Projekte bietet meine homepage https://axel-von-criegern.de

English Summary:

My metal-sheet-work startet 2003 when I wanted to transform a picture by the  dutch painter Jan Steen (1626-1679) into a cabaret-show. Cartboard was not solid enough , so I tried zinc -sheets.. Fore another Steen- project with bigger figures I used thick sheets of aluminium- much lighter than zinc.

 

 

Die Zeichen haben mich wieder!(Nr.111)

AvC  ‚Eine kleine Aktion‘, Marker 2017,©AVC

Das berühmte Paul Klee-Zitat „Die Farbe hat mich „ (Tunis-Reise mit August Macke,1910) habe ich.für meinen Titel abgewandelt. Ich kehre immer wieder zum ZEICHEN zurück. Es verbindet das Elementare mit dem spontanen Ausdruck der Kinder. Farbe und Form fallen in ihm zusammen. Für meine Arbeit kann ich 3 Phasen unterscheiden.

1965-1975

AvC , Aus einem Werkbuch 1962 ©AvC

1960-1970 Einflüsse der Sprachtheorie de Saussures (ca. 1910), Reduktion auf Elemente und darauf aufbauend Konstruktionen: Bauhaus (ab 1919), de Stijl (Piet Mondrian u.a.), Konstruktivismus (z.B. Malewich u.a.).Kandinskys Abstraktion.

1970-75 französischer und tchechischer Strukturalismus (Roland Barthes,  Jan Mukarovsky u.a. ab ca. 19 30); Semiotik (Max Bense u. a.).Medien-,wahrnehmungs- und Lerntheorie.

1990-2000

AvC,  ,Tolle Maschine ‚ Marker, 1995.©AvC

Einflüsse von Künstlicher Intelligenz- und Hirnforschung ; Sprachwissenschaft, Medienwissenschaften „Iconic turn“

2017

Neues Bewusstsein vom Zeichen als absolut selbstreferentiell, also weder der Sprache noch dem Bild „eigen“ und auch keiner Aufgabe besonders zugeordnet ( z.B. der ,Naturnachahmung‘). Mit Lessings  „ Laokoon – oder über die Grenzen der Malerei und Poesie“ (1766) zeichnet sich die moderne Trennung  des Zeichens vom selbstverständlichen ,seit der Antike geltenden „ut pictura poesis“, ab. Beispiel: Die romantische Malerei sucht und findet im Bild der Natur ein Bild der „Seele“.

Für mich bedeutet diese ´Neuentdeckung´ zu allererst die zugegeben späte Gewißheit  einer Abstraktion ohne , schlechtes Gewissen‘. (Siehe Abbildung am Beginn).

English Summary 

Again symbols and signs as basic tools of my art are subject of this post. I learned lately that Lessing in his essay „Laokoon/oder über die Grenzen der Malerei und Poesie“ (1766) was already reflecting ‚ signs‘ , which did no longer refer to nature, but to themselves. The aesthetic evolution since Lessings days reveals my art as based on signs and synbols. I still need this kind of confirmation because my own devellopment started with signs organized in structures, constructions and texts 1960. In the seventies the structuralism had strong impact on my art. 1990 I liberated my signs and symbols from any extern reference and made them elements of playful constructions. Now in 2017 I begin to accept that my sign-based art is not a weird abstraction, but reliable -serious and playfull as well- tool, medium, content in one.

P.s.

Den Bezug auf Lessings Laokoon verdanke ich einer Vorlesung von Frau Prof. Maria Moog-Grünewald zu „Sprache und Bild/Ekphrasis“ im WS  2017 an der Universität Tübingen. AD Rösch hat mich mit seinem Kommentar zum post Nr 110 sehr in meinem ‚Zeichen‘ -Ansatz gestärkt! Unendlicher Dank!

 

Vor-Schriften, Vor-Bilder. Überlegungen zur grafischen Kommunikation. (Nr.110)

AvC, 2017

Ein Erlebnis

Im Vorraum einer Bank stand ein Kindercomputer. Als ein Kind, das gerade davor saß, fertig war, probierte ich das Malprogramm aus. Und wieder war ich begeistert über das „Menetekel“, die aus dem nichts auftauchenden Zeichen in der gewählten Farbe und Strichstärke.

AvC 2017

Seit meinem 15,/16. Lebensjahr tauchen diese Zeichen auf (Vergl. art77blog, 17.Juli 2017: „Siebzehn Jahr…“). Natürlich haben sie sich im Laufe der Jahre gewandelt. Vor Jahrzehnten habe ich diesen Zeichen Autonomie zugestanden und in einer großen Ausstellung gefeiert („Vor-Bilder/ Vor-Schriften“;Zehntscheuer Rottenburg, 1996. Mit gleichnamigem Buch)

Angeregt durch das Erlebnis mit dem Kindercomputer zeichnete ich ein kleines Bild mit einem schwarzen Marker als Test und trug im folgenden Farben mit Buntstiften auf. In dieser Phase bekam ich von Jürgen Wertheimer einen wunderbaren Text aus einem gerade entstehenden Buch zum Thema „Zwischen Text und Bild: Künstlerische Grenzgänger.“ zur Verfügung gestellt. Dieser Text über Cy Twombly wird ein Kapitel dies Buches sein. Vor allem Wertheimers Betonung der absoluten Autonomie der Zeichen, die zu nichts in Beziehung stehen, auf nichts verweisen und für nichts stehen, hat mich begeistert: „So sollte man diese Bilder vielleicht auch als eine Art Theater der Zeichen nehmen (…) wir sind Beteiligte, wie im antiken Theater. Aber nicht wie im Theater am Geschehen der Handlung, sondern am Geschehen des Materials(…) als Akteure,als Hauptdarsteller in einer Komödie der Farbspiele, Formgebungen, Rhythmisierungslust.“ Und da sind auch noch die „spielerischen Gefühle“, die Wertheimer in Bezug zu Schillers Ästhetische Erziehung des Menschen stellt: „Keine bissige Mythendekonstruktion, kein rigider Illustratismus, sondern die fast kindlich unbefangene Mutwilligkeit die Zeichen von den straffen Seilen, die an fixe Bedeutungen binden, lösen, zu befreien, zumindest für einen Moment.“

Verglichen mit Twomblys Zeicheneruptionen kommen meine Zeichen- Texte bieder daher. Sie zieht es zur Schrift und zugleich zum Bild. Sie haben zwar auch keine Bindungen an Bedeutungen, sind aber nicht von sich gelöst. Im Gegenteil, wie von einer Kompassnadel geführt, drängen sie zu einer Einheit von Text und Bild wie zu einem Ort der Verheißung. Dabei schlägt mein Weg von der Kunst zur Kunstgeschichte und im besonderen der Ikonologie und Didaktik durch. Und in diesem Zusammenhang hier ist wichtig,-daß ich  eigentlich meine Dissertation über Piet Mondrian schreiben wollte., mich aber aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen konnte. Der arme Jan Steen hats dann zu spüren bekommen.

Unter dem Einfluss der Twombly- Lektüre habe ich heftig über das kleine Zeichenbild radiert, was den Zeichen etwas von ihrer Rigidität nahm und einen Moment des Schwebens gab. Jetzt erinnerte ich mich an frühere Versuche und habe eine weitere Replik der Zeichnung über einen frottierten (durchgeriebenen), strukturierten Grund, der lediglich durch den Papierabriß begrenzt war, gelegt.

AvC 2017
AvC 2017

Wie es auch immer weiter geht,  Wertheimer-Twombly haben mich im Vertrauen auf meine Arbeit bestärkt. Danke, Grazie!

Vergl. weiter art77blog, 29.Juni 2017 „Computer, Pixel und die Welt als Zeichen“ und 4. Juli 2017 “ Zeichentexte“.

English Summary

From my teenage days on I emploid signs and symbols in my pictures (s. art77blog „17 Jahr…“ July 17, 2017). Often they look like letters, but they are not. They stand for themselves. Reading  an essay of Jürgen Wertheimer about  Cy Twombly („Lingering at the threshholdbetween word and language“) I learned a lot about the indipendence and selfreference of the signs in Twomblys paintings. That made me understand my own „lettering“ much better.