Wir sind Hölderlins Erben (art77blog Nr.219) Januar 10, 2020Januar 11, 2020 ~ art77blog ~ Hinterlasse einen Kommentar Jan Steen(1626-79) Verkommener Haushalt, ca 1668, National Gallery, London Was Steen mit Hölderlin zu tun hat? Beide beschäftigen mich immer wieder. Diesmal stieß ich bei der Lektüre des Buches #„Hölderlin. Komm ins Offene, Freund!“ von #Rüdiger Safranski (München 2019) auf einen spannenden Gedanken. Der Autor zitiert aus der Vorrede zur vorletzten Fassung des Romans „#Hyperion“ eine Stelle, die mich zu der Überschrift gebracht hat. Und zwar stellt H. dort unser aller andauerndes Verlustgefühl, was unsere Sehnsucht nach Glück und Harmonie mit Natur, Welt und allen Menschen betrifft, fest. Und das muss so sein, damit wir ebenso andauernd danach streben können. H. räumt der Kunst (der Dichtung) eine zentrale Rolle zur Wiedergewinnung dieser Ureinheit ein. Denn eigentlich kann dies nur die #künstlerische Tätigkeit leisten. Sie ist der Schlüssel zur Schönheit, die als einzige unsere Sehnsüchte stillen kann. Jan Steen hat für mich in diesem Sinn eine zentrale Rolle gespielt. Denn die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit diesem ‚Künstler-Kollegen‘ habe ich als eben solch einen Schlüssel zu Einheit und Schönheit erlebt. Und im Sinne Hölderlins wohlgemerkt nicht nur theoretisch, sondern eben auch durch das praktische ,Nachspüren‘ , das Arbeiten mit dem Material. Als ich 1984 den Vorschlag machte, sich durch einfaches Abzeichnen der Motive eines Bildes von Jan Steen dem Werk zu nähern, es sich anzueignen, war mir die mögliche Tragweite dieses schlichten Vorschlags nicht bewusst. Es war auch eine andere Zeit. #Kunstgeschichtsforschung und #Ästhetische Erziehung hatten andere Probleme. Ich behaupte einmal, dass dies heute so verbreitete Gefühl der grundlegenden und unangenehmen Fremdheit damals so noch nicht existierte. Wir hatten uns unspektakulär aus der Vision einer radikalen Gesellschaftsänderung davon geschlichen. Sogar die Frage der# ästhetischen Bildung hatte ihre Schärfe verloren. Wir besannen uns auf das Eigene der Kunst zurück und welche bildenden Möglichkeiten diese bot. Noch zehn Jahre zuvor wäre mein freundlicher Vorschlag als „affirmativ“ zerrissen worden.# Axel von Criegern: „Skizzieren als ikonologisches Training“. Zeitschrift für Kunstpädagogik 1/1984 Federzeichnungen des Verfassers (1984) zu dem „Verkommenen Haushalt“ Steens Federzeichnungen des VerfassersEnglish Summary The generation of Friedrich Hölderlin (born 1770), Betthoven , Hegel, Schelling a.o. was convinced that the arts should play an important part in creating a new human society. It was in the 1970ies when we were excited about social criticism and fought against any kind of cultural „affirmation“. Later then 1984 I dared to ask whether it would‘nt be better to learn from the arts than to battle them.
Holz „modellieren“? (art77blog, Nr. 181) April 12, 2019April 12, 2019 ~ art77blog ~ Hinterlasse einen Kommentar Axel von Criegern „Figur“, Olive, 2018/19 (Ausschnitt)Als mein italienischer Nachbar zusah, wie ich einer Skulptur aus #Olivenholz mit Raspeln zu Leibe rückte, meinte er mit dem Sachverstand des Schreiners , dass es jetzt ans Glätten („pulire“) ginge. Irgendetwas sträubte sich in mir. Natürlich gings ums Glätten, aber das würde sich nicht im Beseitigen rauher Stellen oder Unebenheiten erschöpfen. Die #künstlerische Arbeit beinhaltet auf dieser Stufe die Verfeinerung der einzelnen Formen bei konzentrierter Beachtung des Zusammenhangs. Bei #organischen Formen ist das eine Annäherung an das natürliche Wachstum. Die geforderte Einfühlung muss sich also auch auf das Ganze beziehen. Und dazu gehört beim Holz u.a. die #Maserung. Wenn ich bei dieser Arbeit von #„modellieren“ spreche, dann meine ich nicht die übliche Bedeutung von ein plastisches Material verformen, auch nicht Holzpaste. Vielmehr möchte ich damit Umsicht, Vorsicht und Einfühlung beim Abtragen eines härteren Materials beschreiben. Also eine #Metapher. Als Studenten wurde uns #Henry Moore (1898-1986) als Vorbild für ein so behutsames Umgehen mit Material nahe gebracht. Bei ihm waren es immer wieder Knochen, die das Formrepertoire bestimmten; unabhängig davon, ob als Zeichnung, in Ton oder in Stein gehauen. Sicher kein Zufall, dass ich bei dieser Arbeit an ihn denken muss!„Modeling“ means more or less shaping soft materials. When I use modeling for rasping a wooden sculpture it is metaphoric. It includes polishing but also the sensible approach to the final form. As students we learned that Henry Moore ist a master and idol for this kind of organic sculpturing. And he sure is it until today!