Ein Metallrelief entsteht (Nr. 122)

Das Treiben, Punzen, Ziselieren von Blech ist eine der ältesten Kunst-Techniken. Im 2. Jahrtausend v.Chr. bestechen die Goldblecharbeiten in Ägypten (Tut ench Amun), die mykenischen Goldmasken, der Stierbecher und die Funde in Syrien und natürlich der Inkas. Große Bedeutung hat bis heute die Metallbearbeitung für Schmuck und dekorative Objekte. Einen hohen Stellenwert hatte die Metallbearbeitung in der englischen „Arts and Craft“-Bewegung, im Jugendstil und natürlich in den Material-Unteruschugen und Werkstätten des Bauhauses. Heute denkt man bei Blechkünstlern an Verfahren des Pressens, Knautschens und Deformierens a la Cesar, Chamberlain oder Stella.

Ich selbst bearbeite Blech seit ca.20 Jahren. Damals suchte ich ein statisch zuverlässiges, schneid- und formbares Material um im Zusammenhang mit meinen Arbeiten zu  Jan Steen (1626-79) Figuren herzustellen. Eine andere Bedeutung bekam Blech später als Bildträger für mich. Dabei ging es mir um die Öffnung der Bilder nach hinten und vorn, um die „Befreiung des Bildes aus der Gefangenschaft in der Fläche“. Geschnitten und lackiert entstanden auf diese Weise Reliefs.

Wieweit Raster ( Vergl. „Rhythmus-Abstand-Raum“, art77blog, Nr. 121 und „Mein Film 3“ auf YouTube) auch für meine Blecharbeiten von Bedeutung sind, habe ich in den letzten Tagen am Beispiel eines Reliefs erprobt. In ein dünnes Blech aus einer Aluminium-Legierung habe ich als erstes ein Raster aus Quadraten geritzt (s. Bild oben). Ein Ausfüllen jedes Quadrats mit Zeichen, wie ich es im Post Nr. 121 demonstriert habe, wäre mit der Blechschere schwierig und erzwungen gewesen.Dagegen bekam das Raster während der Arbeit zunehmend die Funktion eines Orientierungs-und Dialogsysrems. Ich orientierte mich zwar an den Feldern, aber mehr im Sinne einer Heruasforderung, auf die es zu reagieren galt.

Bisher habe ich Blechreliefs vor allem geschnitten und bemalt. Bei dieser Arbeit entschied ich mich für eine grafisch-plastische Bearbeitung in Form von Texturen und Strukturen , für die ich alle möglichen Werkzeuge verwendete. Das Verfahren selbst ähnelt einem Web-oder Knüpfvorgang. So wie ich bei den Schnitten auf das Raster reagiert habe, sucht  ich beim Punzen, Ziselieren, Gravieren einen Rhythmus, der  auf das Raster Bezug nimmt. Zugegebenermassen ist das ein von Intuition bestimmtes Vorgehen, ein Spiel mit dem orthogonalen Gitter, ein mutwilliges Überspringen von Grenzen, ein kurzes Zusammenklingen um dann zu noch größeren Bögen oder filigranen Verdichtungen zurückzukehren. Dabei wurde mir aber wieder deutlich wie sehr ich auf dieses Wechselspiel von Regelhaftigkeit und Spiel fixiert bin. Es ist ganz offenssichtlich der Motor meiner Kreativität.

English Summary

Punching, driving, chasing of thin sheet metal is familiar to arts and crafts since at least 4000 years. Gold cups from Mykene or the discoveries in the tomb of Tut ench Amun are impressing examples. Today is this craft not in the focus of the arts. I use sheet metal since 20 years for statues and as picture area for paintings. Cutting the picture area with plate-shears produced reliefs, which I then painted with laquer. Following my thesis of a grid-based design (s. Nr. 121) I scratched a grid on an aluminium-sheet and worked than with all kind of tools, without colours, ony punching, hammering, pressing,chasing.The result is a texture with a particular rhythm. It is more a creative answer to the straight grid than following the order.

Das fertige Relief 45×65 cm Copyright Axel von Criegern, 2018

Rhythmus-Abstand-Raum (Nr.121)

Axel von Criegern, Basic Exercise, Bleisift, Acryl auf Papier, 20 x 16 cm, 2018

Allen meinen künstlerischen Projekten und Experimenten liegt ein langweiliges Muster zugrunde, gegen das ich arbeite und das ich doch brauche. Am besten lässt es sich als Gitter darstellen, in dessen annähernd quadratische Felder ich geometrische ZEICHEN einfülle. Dieses Gitter zu „animieren“ – das ist meine Kunst. In dem Umspielen  dieses Grund- Musters  fühle ich mich  Paul Klee  und letztlich dem Bauhaus  verbunden. Tatsächlich sind die ersten Schritte immer spielerisch, um dann bei jeder weiteren Entscheidung ernster und spannender zu werden. Auf dem Video zu diesem post gehe ich den ersten von vielen möglichen Wegen, den des „Schreibens“; Zeile für Zeile. Bei allem, was ich gestalte, geht es immer um eine Auseinandersetzung mit dem Raster. Sogar bei Material-Experimenten , Knautschen von Blech, langsamen Herausarbeiten von Formen aus Hartholz u.a.m. ist das Gitter das Maß aller Dinge‘.

English Summary 

In long, long years I realized, that all my artistic work has the grid as base. Without beeing aware of this, the vision of a grid is the  support and hold of my practical work and also of critique. But this is not a simple guide. In the same moment when I feel guided I start to fight against it and struggle or freedom. So art happens  for me between two extremes. Of course I feel very much related to Paul Klee and his years at the „Bauhaus“. See also my corresponding video on YouTube.

YouTube :Axel von Criegern Mein Film 3

Art happens (Nr.120)

Copyright AvC 2018. Mit Einverständnis der schönen Unbekannten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„The medium is the massage“ heißt ein Bestseller desMedienanalytikers Marshal McLuhan, der in Zusammenarbeit mit dem Grafikdesigner Quentin Fiore entstand und 1967 erschien. In anderen Zusammenhängen spricht McLuhan auch von „The medium is the message“. Für uns junge Kunst-und Medienkritiker war das ein wichtiges Buch. In populärer Form führte es Walter Benjamins Gedanken zum „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ weiter. Ebenso wie John Bergers (u.a.) „The ways of seeing“.

Eigentlich hatte ich diese uns damals stark prägende Diskussion unter „es war einmal“ abgelegt, als ich jetzt in der „Kunstzeitung“ vom Februar 2018 auf einen Aufsatz des jungen Kunstwissenschaflers Daniel Hornuff stieß: „Vernetzte Kunst (…) Über das Verhältnis von künstlerischer Praxis und sozialen Medien“. Die Lektüre rief nicht nur obige Erinnerungen ab, sondern traf mich persönlich voll was den Art77blog angeht. Ich habe bis auf wenige Videos( s.YouTube) doppelt gesündigt. Erstens schreibe ich über Gestaltungsprozesse, die ich lediglich „still“ wiedergebe, zweitens nehme ich keine Rücksicht auf unsere Mediengewohnheiten: Im Unterschied zu 1970 sind wir heute mehr an bewegte Bilder gewöhnt. Nur daher erklärt sich auch der Film „Loving Vincent“. Für Art77blog ziehe ich daraus den Schluss meine Erfahrungen in Bewegt-Bildern zu vermitteln. „Art happens“ ist ein holpriger Anfang. Neue Probleme zeichnen sich bei der geforderten Kürze ab. Da gilt im doppelten Sinne: „Mal sehen!“

Das Video „Art happens“ ist auf Kanal Axel von Criegern in „YouTube“ zu sehen und in Facebook gepostet.

Ein produktiver Umgang mit antiken „Ikonen“ (Nr. 119)

 

Menade des ,Skopas (frühes 4.Jh. v.Chr.) und AvC:Zink und Buntlack

Einem -aus meiner Sicht-jungen Archäologen der Uni Tübingen (Prof.Dr. Richard Posamentir) verdanke ich das angenehme Gefühl, dass die historische griechische Kunst noch gegenwärtig ist. Völlig unangestrengt gelang es ihm die Gipsabgüsse in der Sammlung auf Schloss Hohentübingen in einem Vortrag vor württembergischen Kunsterzieher(rinne)n lebendig zu machen. Die Figuren, ihr Thema und ihre Gestaltung wurden in Vergangenheit und Zukunft und anderen Kulturen aufgespürt! Es war, als ob sie aus ihrem Winckelmannschen,mattweissen Gefängnis befreit worden wären. Seit meinem lange zurück liegenden Archäologiestudium habe ich das selten erlebt. Ein solches Vorgehen ist mir eher aus der Kunstgeschichte Marke Ikonologie vertraut.

Kentaur und Cupido (hellenistisch) ©AvC

 

„Dornauszieher“( hellenistisch)©AvC
„Gänsewürger“ (hellenistisch)©AvC

Die Zeitmaschine versetzte mich in eine nun schon einige Jahre zurückliegende Situation in eben dieser Abgussammlung. Ich hatte mir von der damaligen Sammlungsleiterin die Erlaubnis geholt in den heiligen Hallen mit meinem Zinkblech und zugehörigen Werkzeugen während der Besuchszeiten zu arbeiten. Ich suchte „bekannte“ Skulpturen aus und begann mit Zeichnungen auf Papier. Dann ging es ohne Vorzeichnung ans „freie“ Schneiden aus einem Stück ohne Abfall. Das klingt komisch, ist aber ein disziplinierendes Prinzip. Man ist dadurch gezwungen die Nachbildung nicht nur so stimmig und ästhetisch wie möglich anzugehen, sondern auch „ökonomisch“. Die größten Schwierigkeiten machten die Figuren, bei denen die „Plinthe“ ( Sockel) ebenfalls aus diesem einen Stück Blech geschnitten werden musste. Das war z.B. beim hier nicht abgebildeten „Sterbenden Gallier“ der Fall. Wohl um die Farbenfreude der alten Griechen wissend, habe ich einige Ergebnisse anschliessend mit Buntlack farbig gefasst. Sich aktiv gestaltend zwischen diesen Ikonen zu bewegen und sich sozusagen in ihre künstlerischen Probleme und Lösungen einzumischen, hinterlässt einen bleibenden Eindruck von Vertrautheit.

English summary

One day I had the chance to work in the show room of the Department of Archaeology at the MUT (Museum of the University Tübingen). I chose some plaster cast prominent statues and started to cut them in zinc. Cutting the metal I didn‘t want to waste even a tiny piece folding and bending them to statues I tried to stay close to the original. Some of them were  painted in bright lacquer afterwards, well aware of the polychrome-struggle since the 19th century. It was exciting to dive this way into a time,that was so important for the western culture.

Posamentir, Richard: „Den steinernen Figuren auf den Grund gehen- ausgewählte Beispiele der griechischen Plastik und ihre tiefere Bedeutung“ und: „Not the Classical Ideal- der Blick der Griechen auf das Fremde in Plastik und Vasenmalerei“. Der Vortrag wurde am 27. Januar 2018 gehalten. Eine schriftliche Fassung ist mir nicht bekannt.