„Kann ein Käfer Sünde sein?“(Art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 383)

Ich darf dran erinnern?! Die von Ernst Gumrich eingeführte #Parabel vom #redenden Käfer, der eigentlich nur als Gegenstand #wissenschaftlicher #Forschung dienen soll, ist für mich  #künstlerisch verführerisch. Eigentlich geht es ja um das Verständnis meiner Form künstlerischer Tätigkeit, die episodenhaft,  häufig verspielt und unsystematisch ist. Mit dem Thema ´Käfer´ hat das prinzipiell nichts zu tun. Indem ich begann mich näher mit dieser Parabel zu beschäftigen, wurde auch der Käfer selbst zum Thema der täglichen künstlerischen Arbeit .Und so landete ich (zufällig) beim #Mistkäfer oder #Scarabäus.  Wie fruchtbar diese episodische künstlerische Methode ist, zeigt das berühmte „weite Feld“(#Fontane) , das sich immer wieder auftut. Auf Franz Kafka und seine Käfer-Erzählung Die Verwandlung habe ich ja schon verwiesen. Vor drei Tagen alarmierte mich die #Rezension eines neuen Buches von Jürgen Wertheimer: #„Mischwesen“ . Eine spannende  Lektüre, die die Parabel vom redenden Käfer in neue Horizonte rückt.

´Wenn mehr wissen Sünde ist…´

#Ernst Gumrich #Parabel #Mistkäfer #Scarabäus #Franz Kafka #Peter Erdtle # ,,Südwestpresse,Schwäbisches Tagblatt #Jürgen Wertheimer #Mischwesen +Mathes&Seitz Berlin,2022

 

Gibt es eine „europäische“ Kunst? (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.244)

Computerarbeit nach Jan Steen (1626-1679) „Abfahrt vom Wirtshaus“ ©️2020

Natürlich gibt es die „Europäische Kunst“! Regale voll Bücher und viele Einrichtungen lassen keinen Zweifel aufkommen. Heute würden wir sagen, gemeint sind Künstler*innen, die aus der EU stammen, wohnen und arbeiten. Allerdings ist das zeitübergreifend nur bedingt gültig. Stichworte sind byzantinische Künstler in Ravenna , Venedig (die Mosaike! ), ‚muslimische‘ Künstler am Hof Friedrich II in Sizilien und Apulien oder Spanien (Cordoba!), Kandinsky ( Blauer Reiter und Bauhaus) u.v.a.
Bei der Lektüre des eben erschienen Buches von #Jürgen Wertheimer: Europa. Eine Geschichte seiner Kulturen.(Penguin, München 2020), stieß ich auf einen Gedanken, der mich die Frage nach der ‚europäischen‘ Kunst neu stellen lässt. Wertheimer räumt der #Aufklärung des 18.Jahrhunderts und ihres Scheiterns die Bedeutung einer historischen Wende in Europa ein. Am Beispiel von #Denis Diderot, dem Mit- Begründer der einmaligen #„Encyclopedie“ und Verfasser des Dialogs #„Rameaus Neffe“(1762) entwickelt der Autor das #„ dialogische Prinzip“ als bleibendes Erbe der Aufklärung und erklärt das #„System Aufklärung“ zum #
„Synonym für Europa“. Dann folgt die Überleitung zur Gegenwart „Wir sollten Europa immer wieder an diesen Teil seines Erbes erinnern. Es ist unser USP ( #Wikipedia: „Alleinstellungsmerkmal“) aber auch das Herz unserer individuellen und kollektiven Kommunikationstechnik-und zwar von Beginn an.“ (S.330) Da ich selbst Kunst als ‚Kommunikationstechik‘ verstehe, wirft das für mich neue Fragen nach ‚europäischen‘ Merkmalen der Kunst auf. Und natürlich: wenn ich bereits eine plausible Antwort hätte, würde ich sie sofort und mit bestem Gewissen preisgeben!

English Summary
If you look for ‚European Art‘ Wikipedia will tell you something like ‚art made in Europe‘ or by european artists, and there is nothing wrong. Reading a recently published book of Jürgen Wertheimer, Europa.Die Geschichte seiner Kulturen (Penguin, Munic 2020) I got an idea for a more essential answer. Following Wertheimer the
dialogue is the most important result of the enlightenment. The enlightenment is the ‚USP‘, the brand of Europe . His call is never forget this roots of of the European culture and makes me think about a different answer to what European art is . But this will be a real tough job…

Schrift links-Bild rechts? (art77blog.axel-von-criegern.de Nr. 221)

Wuchernde Interpretationen“. Kugelschreiber, Farbstifte, 2020, ©️ Axel von Criegern

Die angenehme und vertraute Vorstellung von #zwei Gehirnhälften mit klaren Zuständigkeiten ist zwar oft angegriffen worden, aber nach wie vor hilfreich. Für die künstlerische Arbeit ist sogar eine weitere Vereinfachung hilfreich: Schrift und logisches Denken auf der linken Seite, Vorstellung, Gefühl, Unschärfe, Komplexität an Sprache und Schrift vorbei auf der rechten Seite. Ganz abgesehen von ausgesprochenen #„Grenzgängern“ ist Kunst immer im ganzen Gehirn beheimatet. Bei der Lektüre von #Harald Haarmann „Universalgeschichte der #Schrift“ stieß ich auf einen eminent wichtigen Gedanken. Zwar gilt die historische Abfolge ‚zuerst Bilder, später Schrift in Verbindung mit Sprache‘, aber der neue Ansatz betont nicht nur die kulturelle Abhängigkeit der Bilder, sondern auch ihre immer geltende „ #mnemotechnische“ Bedeutung. Die verbindet den frühmittelalterlichem #„Teppich von Bayeux“ (1000 n.Chr.) mit den Zeichnungen einer modernen Gebrauchsanweisung. Beide machen sich an der Sprache vorbei für die bildhafte Vorstellung unverzichtbar. Also gab es immer Bilder- mehr oder weniger in Verbindung mit Schrift und Sprache. Der „#Primat der Bilder“ und die“Bildtechniken“(Haarmann) beziehen sich demzufolge nicht ausschließlich auf die heutige kulturelle Situation, sondern sind von grundlegender #anthropologischer Bedeutung. Mein Künstlerherz jubelt: Schluss mit den Minderwertigkeitskomplexen- Schluss aber auch mit absurdem Starkult. Denn der lenkt ebenfalls von der menschlichen, gesellschaftlichen, kulturellen Verantwortung der #visibilita‘/ visibility und deren Produktion ab.

#visibilita‘ (ital. „Sichtbarkeit“) ein von Italo Calvino , beginnend mit #Dante Alighieri immer wieder verwendeter Begriff (gut bei Wikipedia)
#Walter Haarmann: Universalgeschichte der #Schrift; Frankfurt,New York 1990 (Campus)
Grenzgänger: Mit diesem Begriff beziehe ich mich auf ein Papier von #Jürgen Wertheimer „Zwischen Text und Bild: Künstlerische Grenzgänger.“

English Summary
Since the times of „enlightenment “ letters and speech are culturally and philosophically predominant. But our everyday life is ruled by pictures. Looking back to the pre-letter- times we learn that long, long before languages there was a world of pictures, pictorial symbols, signs and stories. They covered most of human thinking, planning, memories, reports, contracts, phantasies. They stood for reliable, authentic comunication. In the Age of Enlightenment pictures became „illustrations“. Finally the development of photography taught people to use image
s for lying, cheating, manipulating. And what are artists in this situation good for?