Ordnen und Erinnern (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 411)

Arbeiten zwischen 1985 und 2000 n.Chr.

Neuland! Wenn man mich fragen würde,welches Verhalten für mich typisch ist wäre , „aufräumen, ordnen“ die letzte Wahl!  Offensichtlich verstehen alle Menschen etwas anderes darunter als ich. Ich behaupte, dass alle Dinge, für die ich mich verantwortlich fühle, durchaus irgendwie aufgeräumt und geordnet sind. Indem ich ein Detail verrücke, zerstöre ich diese Ordnung. Und noch schlimmer, ich bewerte sie damit neu. Sind das noch meine Dinge und ist das noch meine Ordnung? Die Impulse zum Ordnen können also nur von Aussen kommen. Gibt es denn außer Ärger und Unlust auch positive Seiten? Eine könnte das #Entdecker-Erlebnis sein. Ich entdecke Dinge wieder, von deren Existenz ich nichts (mehr) wusste. Ich entdecke #rhizomartige Verwandtschaften von Dingen, die örtlich und  zeitlich weit entfernt voneinander entstanden sind und ich entdecke Motive, Projekte , Materialien und Techniken, die ich bei mir nicht erwartet hätte. Ein beruhigender und gleichzeitig beunruhigender Punkt ist der Kontakt mit dem #„Grundmuster“ in uns. Ich erinnere mich daran, wie ganz frühe Arbeiten, so um die 15/16 Jahre bereits Merkmale hatten, die ich später immer wieder entdeckte. Nicht dass es sich  dabei um eine Fähigkeit oder Können handelte, eher war es eine innere Steuerung, eine Beschränkung. Daher der Doppel-Effekt. Im Erinnern und Erkennen liegt eine gewisse Geborgenheit, ein vertrauensbildender Kontakt mit dem Ich, in der Bewusstwerdung der Grenzen, das Spüren der Beschränktheit und letztlich der Minderwertigkeit. Morgen früh mache ich mit dem Aufräumen weiter und ich fürchte, dass ich immer wieder auf solche frustrierenden  Erinnerungen stossen werde. Gehts dann ans #wegwerfen???

Literatur und Kunst.Eine glückliche Begegnung (art77blog. axel-von-criegern.de.Nr.410)

Mir wurde ein Roman des Autors Mirko Bonné empfohlen: :“Alle ungezählten Sterne“ (Schöffling &Co,2023).. Ein verrücktes Buch,das mich sehr gefesselt hat.Als ich gerade fertig war, erfuhr ich, dass Bonné aus diesem druckfrischen Buch in der Buchhandlung RosaLux in Tübingen lesen würde. Ich saß einen Meter vom Autor entfernt und konnte ihn in aller Ruhe.  studieren. In einer Frage-Pause konfrontierte ich ihn mit meiner Beobachtung, dass er ausgesprochen unaufgeregt, entspannt, ja poetisch lese und dabei in einem harten Kontrast zu dem stellenweise brutalen Inhalt des Buches stehe. Irgendwie hat das den Autor aufhorchen lassen und befremdet. In der anschließenden gemütlichen Runde bei einem Glas Wein gab es die Chance ein Missverständnis zu vermeiden und auf den mir wichtigen Punkt „Wie geht Literatur und wie wird sie gemacht?“ abzuheben. Dieses Wort „machen“ kam weder beim Autor, noch bei der Buchhändlerin und den noch anwesenden Hörern gut an. Um meine tief gründende Überzeugung, daß es bei allen Formen der Kunst auf das Machen ankomme, verwies ich auf ein eigenes Beispiel. Nach einer langen Zeit der Arbeit  an Holzskulpturen war in den vergangenen Tagen die Sehnsucht nach Leichtigkeit und Spiel (wieder) stärker geworden. Von meinem Freund, dem Bogenbauer Michele Facchino, konnte ich eine Tüte mit kleineren Holz-Abschnitten bekommen. Sie erinnerten mich an Jahre zurückliegende Arbeiten, für die ich alle möglichen Säge-Abfälle zu kleinen, farbig bemalten „Monumenten“ verwendet habe. Während der ersten Versuche zu vergleichbaren Objekten, entstanden farbige und collagierte´Gelegenheitsarbeiteń auf Papier. Was diese Demonstration meines Verständnisses vom Kunst-Machen beim Autor bewirkte, war verblüffend. Mag der Wein dabei eine Rolle gespielt haben , jedenfalls rief er aus, daß bei ihm in vergleichbarer Weise das offene  Spiel mit der Sprache eine zentrale Bedeutung habe. Danach wechselte das Thema und diejenigen, die von Mirko Bonné s Übersetzertätigkeit wussten, kamen zum Zuge. Als ich von einem sehr guten Rotwein beseligt den Heimweg antrat,  begleitete mich das beglückende Gefühl verstanden worden zu sein. Danke Mirko Bonné!

Weiß= „edle Einfalt und stille Größe“? (Art77blog. Axel-von-criegern.de.Nr.409)

In den letzten zwei Wochen beschäftigte mich (naturgemäß) die Oberflächengestaltung meiner kleinen Skulptur immer mehr. Anders als bei den nicht farbig bemalten Holzobjekten reizte die mit „Gesso“ bemalte und gespachtelte Oberfläche zum farbigen Gestalten, Das Überschreiten von Dimensionen gehörte von Jugend auf zu meinen künstlerischen Herausforderungen. Das allerdings erst 2001 entstandene Holzkästchen ist ein verspieltes Beispiel dafür.

Gleichzeitig ist das ein Beispiel für den von  Bildern und Zeichnungen vertrauten weißen Grund . Offensichtlich hatte ich mich in den vergangenen Tagen so ausschließlich mit der weißen Skulptur beschäftigt, dass sich keine der vertrauten Personen für eine Bemalung erwärmen konnte! Wahrscheinlich ist es typisch für meine keineswegs beruflich geforderten Doppel-Studien, daß mir heute bei einem Spaziergang Johann Joachim Winckelmann  und kurz danach der mit Winckelmanns „weiß-Doktrin“ entstandene # Polychromie- Disput einfiel. Winckelmann war als Kurator der vatikanischen Sammlungen mit ihren vorwiegend nicht bemalten römischen Repliken griechischer Originale zu seinem Schluß der „edlen Einfalt und stillen Größe“ gekommen. Ne gewisse Einfalt (nicht gerade edle) würde ich mir ja zugestehen, von der stillen Größe habe ich noch nichts bemerkt. Vielleicht entdecke ich die noch!!

# Zur  immer noch nicht abgeschlossenen Diskussion der Farbigkeit der griechischen Architektur: Mit Winckelmanns Bild einer idealen, vorbildlichen Skulptur der Griechen ging eine starke, oft grelle Bemalung, wie man sie noch an Gebäuden entdeckte,  nicht zusammen.

Die iPhone-Kamera als eigenständiges Medium? (art77blog. axel-von-criegern.de Nr. 408)

Die 30 cm hohe Birken-Skulptur, an der ich jetzt seit einem halben Jahr sitze, steht zur Oberflächengestaltung auf dem Arbeitstisch. Meine Unsicherheit läßt sich gut an dem Papierbogen, auf dem die kopfartige Skulptur steht, ablesen.Dieser Bogen war weiß. Als ich diesen Arbeitsplatz verließ., war der Bogen Papier dicht bekritzelt. Ich denke, dass die farbige Fassung des ‚Kopfes‘ Thema des Beitrags der nächsten Woche sein wird. Denn heute hat mich eine überraschende Beobachtung abgelenkt. Ich habe nämlich  Skulptur und Kritzelei als ein Bild wahrgenommen.Dabei spielte das Kamera-Objektiv eine wichtige Rolle. Die Reihe ` Augen, Gehirn, Kamera  stellt sehr verschiedene „Informationen“ .zu einem „Bild“ zusammen. Beim Bewegen der Kamera über die Zeichnungen ließen sich einzelne Motive ausmachen, die für sich auch wieder Bilder waren. Jetzt kann man noch überlegen, ob der Kontrast zu der stehenden Skulptur (aus weissem Holz) dieses Eigenleben der Kritzel bewirkte oder ob das Gekritzel eigene Energien freisetzte. Für mich sind diese Vorgänge sehr spannend!