Eine künstlerische Streitkultur? (109)

A v C :„Kunststreit“. 9×5 cm, Acryl, 2017 ©

Keine Frage: Deutschlands Kunst-Kultur ist Zeichen einer funktionierenden Demokratie. Ist sie das? Kunst-Demokratie bei uns heißt : Alles geht, und jeder ist ein Künstler. Und wo ist der „Demos“, das Kunst-Volk? Sind wir ehrlich: An erster Stelle stehen die Märkte- Auktionen, Messen, Ranking–gefolgt von den Medien und Kuratoren. Für den Einzelnen sind noch die lokalen Marktplätze, Institutionen, Ingroups und Publikum wichtig. Wir haben unser Grundwissen über die Moderne: Der um 1900 einsetzende Wandel der Kunstproduktion und im Gefolge der Rezeption: Ready mades, Dada, Happening, Performance, Installation, Foto- und Medienkunst, usw. Wir nehmen noch nie dagewesene Mengen von Informationen zur Kunst auf. Unser Gehirn funktioniert wie ein Radar-Grät, kontinuierlich und rundum. Wenn Konflikte auftauchen, dann bekommen wir sie über die Medien mit. Wir begnügen uns persönlich mit den „kleinen“ Märkten und Meinungen in der Familie, Kollegen- und Freundeskreis.

Im politischen Jargon wird heute zur Entwicklung einer Streitkultur aufgerufen. Sollten wir das nicht auch für die Kunst beherzigen? Dann würden wir Kunst ernst nehmen. Dann müssten wir allerdings unser Verhältnis zur Kunst überprüfen, gelentlich den Kunst-Wellness-Bereich mit seinem unverbindlichen Info-Flow verlassen, eine Meinung bilden und bereit sein, diese auch zu vertreten!

English Summary

Democracy needs a Streitkultur. Why not in the arts? Here we don´t discuss or fight. We consume, we enjoy, are excited or disgusted and sometimes happier as before. But do we articulate feelings, opinions or critique? We must start and free ourselves from the predominance of auctions, rankings, curators, media, find out and defend our own opinion.

Ein Zufallsfund im Internet: Tübinger Debattierverein. Streitkultur e.V. www.streitkultur.de

Schöpferische Pause/ creative break (Nr. 108)

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Meine tiefe Überzeugung ist, dass Kunst erst in der Anwendung ihren Sinn bekommt. Sie gestaltet Material, kann Zeichen für politische Meinungen, soziales Engagement, religiöse Inhalte und Menschlichkeit sein. Über Motive, Aufträge und Verwendung von Kunst in vorgeschichtlicher Zeit können wir nur Vermutungen anstelle. Für die geschichtliche Kunst lässt sich dieses Verhältnis mit Hilfe von Quellen rekonstruieren. Ich möchte von künstlerischen Problemen und Lösungen bei einer normalen Aufgabe des Communication Designs berichten.

„Für die Corporate Communication,die moderne Unternehmenskultur, haben Bildelemente, Logos und Figuren grosse Bedeutung..Sie sind Bestandteil der Corporate Identity, wirken nach Außen und spielen im Inneren eine wichtige, identitätsstiftende Rolle. Eine solche Figur („charakter“) sollte ich für  eine  Unternehmensgruppe des Sektors Bauen/Baustoffe entwerfen. Ihre Botschaft sollte sich nicht auf einzelne Produkte oder Leistungen beziehen, sondern allgemein auf  die Firmenphilosophie und  Unternehmenskultur. Zu den Visionen des Unternehmers gehörte eine identitätsstiftende Figur, die fordert, lobt, anregt, selbstbewusst , clever und wendig ist und vor allem unterhält.. Sie muss in sehr verschiedenen Situationen wiedererkennbar sein. Eine Vorgabe waren Leitsätze, die der Unternehmer für jedes Jahr formulierte. Die zu entwickelnde Figur sollte auf diese Leitsätze Bezug nehmen.“

Leicht abgewandelt steht es so in einer Dokumentation, die ich nach 8 Jahren der Zusammenarbeit vorgelegt habe.

Beim Telefonieren lache ich viel und gern. Ohne mir dessen gross bewusst zu sein, versuche ich die Distanz in dieser Situation zu überbrücken, eine offene Situation zu schaffen und Entgültigkeit zu vermeiden. Meine lachende Ansage ist: „Entspannung“. Im Falle einer Engstelle, die ich bei der Entwicklung besagter Figur auf mich zukommen sah, suchte ich auf einem „Nebenweg“ Entspannung- und entwarf ein Kartenspiel. Da ich mit Kindern und Enkeln gern „Doppelkopf“ spiele, lag das vielleicht nicht ganz so fern. Alle Figuren wollte ich in Anlehnung an meinen „Helden“ gestalten, ob König, Dame, Bube oder Ass. Dabei schweiften meine Gedanken ab: Wie weit lässt sich meine „identitätsstiftende“ Figur hinsichtlich Alter, Geschlecht, Kostüm und Rolle variieren? Und einmal im Verwertungsdenken: Könnte das Spiel ein Geschenk für Partner und Kunden sein, ein Merchandising-Produkt?

Das ist das Befreiende solcher „Ausflüge“: Sie machen den Blick frei auf Mögliches und machen neugierig auf Kommendes. Das wichtigste und letztlich schöpferische ist die Besinnung darauf, was da eigentlich passiert ist, bzw. nicht passiert ist.

English summary

The major sense of art for me is its use, its application. We know little about prehistoric idols, but they were certainly part of rites or cults. Medieval art was almost completely sacred. Today art as psychological or therapeutical tool is „in“. When I designed a logo-character for a construction materials-company, I noticed one day a total lack of inspiration. It was time for a creative break. I designed play cards inventing relatives and descendents of my basic character. It was certainly not really what the boss wanted, but it helped to make me feel free again, relaxed and „ unchained“.

 

Kunstexegese/ Art Exegesis (Nr. 107)

Folgt man Google und Wikipedia, dann ist die aus der Bibel-Exegese übernommene „Kunstexegese“ „out“. Oder härter, eine „no go“- Methode; nahe am „Labern“. Man redet um die Sache kompliziert herum, weil man zur Sache selbst nichts zu sagen hat. Hart!!

Mit Christoph Cless, einem kunstinteressierten, evangelischen Pfarrer, mache ich seit mindestens 10 Jahren kunstexegetische Erfahrungen anderer Art. In unseren Atelier-Gesprächen entstehen spannende künstlerisch-theologische Projekte, oder eben künstlerisch- philosphisch-theologische Exegesen.  (Vergl. art77blog, „Halloween, Allsaints, Allerheiligen“, 4.Nov. 2016 und „Martin, the goose bishop of Tours“, 7.Nov. 2016). Diese Woche, am 10. November 2017, geht eine Ausstellung zu Ende, die den Rahmen für eine Reihe von Vorträgen, Lesungen und Diskussionen zu Johannes Reuchlin, einem Zeitgenossen Luthers und „erster“ Humanist Deutschlands, unter dem Titel „Augenspiegel.2017.“ (In Anlehnung  an Reuchlins bekannteste Schrift ) bildet. Der Ort ist die Martinskirche in Tübingen, die Gemeindekirche von Christoph Cless.Die ausgestellten Bilder gehen zum grossen Teil auf jahrelange Gespräche mit meinem Theologen-Freund zurück. Dazu kamen Bilder, die ich früher zum“Hohen Lied“, zu Pranges „Gottessucherin“ und Matthias Hermanns Gedichten angefertigt habe und die in die Gespräche eingeflossen waren. Er hatte mir Literatur zur Judaistik und Bücher lebender jüdischer Autoren empfohlen und ich ihm mit meinen Bildkommentaren geantwortet.Während der Ausstellung hat Cless sein einführendes Referat mit Fotos meiner Bilder und Gedichten des jüdischen Autors Matthias Hermann, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe aus seinen Nachdichtungen der Psalmen las, als Broschüre veröffentlicht (leider nur in kleiner Auflage. Mehr ging nicht, die Gemeinde hatte ihr Bestes gegeben). Kunstexegese in diesem Verständnis als Methode haben wir anlässlich unseres bisher größten Projekts veröffentlicht :

Christoph Cless, Axel von Criegern: „Bischof Martin von Tours. Ein theologisch-künstlerisches Dialog“. In: Danner, Gansen, Heyd, Lieber (Hg.) Ästhetische Bildung, Perspektiven zu Theorie, Praxis, Kunst und Forschung. BoD Verlag, 2011.

Kunstexegese bedeutet für uns nicht das Interpretieren post facto, sondern die produktive Auslegung eines Themas in Wort und Bild.

 

Christoph Cless im Atelier. Bleistift 2017

Vergl. auch AvC, Meine Bilder. Tübingen( Wasmuth), 2009

English Summary

„Art Exegesis“ seems to be out. There is a lot of criticism about its empty talk. Together with a friend, a passionate lover of art and protestant minister I have the possibility to practise art exegesis in a particularly productive way. Based on literature and a lot of talks about jewish history and culture, I had developed drawings and paintings which were lately presented in his church together with lectures and discussions. 2011 we published an essay about bishop Martin of Tours and called it „A theological- artistic dialogue“. (see above)

Eine moralische Pflicht zur Kreativität? ( Nr. 106)

„Frau mit Kandelaber“ 2017; Frottage, Aquarell

Jeder kunstinteressierte Mensch wird bei dieser Vorstellung befremdet den Kopf schütteln. Aber das gibt es natürlich dort, wo es um Aufträge und Termine geht. Aber in der freien Kunst? Ich habe Kunst so verinnerlicht, daß tägliches kreatives „Training“ zum Imperativ geworden ist.

Die obige Skizze entstand in einer Phase „kreativer Windstille“. Ich saß im Atelier und war mir dieser unangenehmen Situation bewußt. Zugrunde liegt eine tiefe Angst der kreative Lebensfaden könnte reißen- und was dann? Völlig uninspieriert legte ich ein  kleinkariertes Plastik-Gitter unter ein Blatt dünnes Notizpapier und begann mit einem Grafitblock zu rubbeln (frottieren). Der Prozess entwickelte sich extrem entspannt und dennoch war meine Aufmerksamkeit geweckt. Die entstehende Fläche provozierte Akzente und Richtungsstriche- „Beine“, „Kopf“, „Kerzen“ Nichts Großes. Aber diese kleine Erfolg hat mir über den „Hänger“ hinweggeholfen.

p.s. Natürlich gibt es viele Möglichkeiten mit einer solchen Situation zurecht zu kommen: Gespräche, Alltags-Beobachtungen, kritzeln oder auch herumhängen, „chillen“ ohne Angst: im Wissen, daß es irgendwie immer weiter geht.

English Summary

Lost of creativity?

For me creativity is a vital need, a vitamin. I am horrified by the vision of a breakdown of creativity, drying out of this central power of my life.Sitting in the studio and realizing that this was one of those frightening moments I saw a plastic grid right in front of me, layed it under a piece of cheap note-paper and started rubbing with a graphit-bloc. I just played around, easy, no inspiration. I watched a kind of old fashion lady growing on the paper- legs, head and a chandelier. This little success and my starting interest proved that my creativity was stll alive.: „Hurrah!“ Silly? Yes! But it helps.