Die Theorie entsteht aus der eigenen künstlerischen Praxis!(art77blog.axel-von-criegern.de Nr.340)

 

„System Farbe und Form“.Aquarell und Fineliner. (Im Besitz des Künstlers)©️Voncriegern2022

 

„Garten“Aquarell, Privatbesitz ©️voncriegern2018

Kunstgeschichte und Kunsttheorien habe ich immer nur ^bezogen auf das hier und jetzt  verstanden. Dazu gehört, dass mein eigenes Zeichnen und Arbeiten immer auch entsprechende Gedanken einschließt. Das meint der Untertitel „Reflections of an artist“, der seit 2016 und 340 Posts / Beiträgen unverändert gilt.Inzwischen ist es so, dass ich das Verhältnis von Theorie und Praxis höchst wachsam verfolge. Gegenwärtig ist es die Tendenz Kunst durch Kuratieren begrifflich zu strukturieren um nicht zu sagen „unter Kuratel“ ,Vormundschaft, zu stellen.  Da niemand  meinen blog und meine Arbeiten kuratiert, könnte ich mich ganz auf meine Kunstpraxis  zurückziehen. Aber das klappt bei mir nicht.

Schon während des Akademiestudium hatte ich das Bedürfnis nach Orientierung  an der Kunstgeschichte. Während des anschliessenden Studiums der Kunstgeschichte, klassischen Archäologie, und Politikwissenschaft (1966-1970), verschoben sich traditionelle Gebiete der Kunstgeschichte in Richtung  Gesellschaftswissenschaften. Für mein Zeichnen als Lernmethode galt das nur begrenzt.

Als ich vor ein paar Tagen auf einen Beitrag zur sogen. Systemtheorie  (s. U.a.Wikipedia) stieß, habe ich einen Test gemacht. Bei einem Aquarell habe ich das ´System´ Form und Farbe als in sich geschlossenes, gegen alle anderen Faktoren abgeschirmtes Malen und Zeichnen umgesetzt. Dieser Arbeit stellte ich ein anderes Aquarell gegenüber, das sozusagen „systemfrei“ entstanden ist. Ich denke, dass diese Landschaftsstudie ungezwungener, leichter, natürlicher, „ rüberkommt“. Hier ein System zu erkennen, fällt mir schwer: „Ich und die Landschaft“, „Ich und das Publikum“? Aber genau  diese Aspekte machen das Aquarell eingängiger, als das Testbild. Mein eigenes Verhältnis, zu einer radikal Theorie -gesteuerten Kunst ist ambivalent. Einerseits fasziniert mich die „Logik“ solcher Kunst, andererseits muß ich kleine „Ausrutscher“ machen, um diese Arbeiten freundlicher und offener zu gestalten.

Es gibt „theorieaffine“ Kunst, die von höchster Qualität ist.Auf Anhieb fallen mir „de Stijl“ (Mondrian u.a.) und der „Suprematismus“ (Malewich) ein, während Chagall der Gegenpol wäre. Aber-um gleich ein Missverständnis auszuschalten: Sowohl Mondrian als auch Malewich haben ihre eigenen Theorien zu ihrer eigenen Kunst geschrieben. 

 Eine wichtige Rolle spielt offensichtlich die Zeit. Für meine ´maschinenfreien Holzskulpturen brauche ich sehr viel Zeit. Das Denken nimmt dabei den Rhythmus der Arbeit an.  Ich empfinde  das als wohltuend selbstbestimmt.

Arthistory and art theories I have always only related to the here and now. This includes the fact that my own drawing and work always includes corresponding thoughts. That’s what the subtitle „Reflections of an artist“ means, which has been in effect since 2016 and 340 posts / contributions. In the meantime, I’ve been following the relationship between theory and practice very closely. At present there is a tendency to conceptually structure art through curating, not to say “under curate”, guardianship. With no one pulling my blog and curating my work, I could focus entirely on my art practice. But that doesn’t work for me.

Even during my studies at the academy, I felt the need for orientation in art history. During the final studies in art history, classical archeology and political science (1966-1970), traditional areas of art history shifted towards social sciences. This only applied to a limited extent for my drawing as a learning method.

When I a few days ago on a contribution to the so-called. system theory  (see Wikipedia, among others), I did a test. With watercolor I tried the ’system‘ of form and color as a self-contained painting and drawing shielded from all other factors. I contrasted this work with another watercolor that was created „system-free“, so to speak. I think that this landscape study comes across as more casual, lighter, more natural. I find it difficult to recognize a system here: “I and the landscape”, “I and the audience”?

There is “theoretical” art. I immediately think of “de Stijl” (Mondrian and others) and “Suprematism” (Malewich), while Chagall would be the antithesis. But-just to clear up a misunderstanding: both Mondrian and Malewich have written their own theories about their own art.

Time obviously plays an important role. I need a lot of time for my „machine-free“ wooden sculptures. Thinking takes on the rhythm of work. I find this to be beneficially self-determined.

 

Modell „palcoscenico“ (art77blog.axel-von- criegern.de Nr.339)

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Es gibt verschiedene Gründe diesem zweiten Beitrag zum „Modell“ einen italienischen Titel zu geben. Einer ist die Tatsache, dass ich diese Kastenbühnen aus Verpackungsmaterial vor einigen Jahren in Italien gestaltet habe, ein anderer ist meine Liebe zur „Comedia dell arte“ und ihren Figuren und ein dritter dass ich diesen Beitrag in Italien schreibe.

Bühnen kannte schon das antike Theater und man kann ja mal fantasieren, dass für bestimmte Stücke und Inszenierungen Bühnenbilder auch damals schon als Modelle entworfen wurden-wenn auch nicht aus Verpackungsmaterial.

Mich faszinieren diese Verpackungen, die um Waren und ihr Zubehör herum passgenau geformt werden.

Den vergleichsweise großen Bühnenraum versuchte ich durch „Leitungen“ in Form einfacher Schnüre einzubeziehen. Die vorspringenden Sockel, Bögen, Schalen und Streben wurden zum Ort einzelner „Szenen“. Durch Andeutungen von Perspektiven kann eine zusätzliche räumliche „dramatische“ Komponente entstehen.

Diese vorgefertigten Reliefs fordern bei mir einen angeborenen Spieltrieb heraus. Das wird mir spätestens dann klar, wenn es um die Beseitigung dieses „Abfalls“ geht. Ich sehe ein, daß man nicht alles aufheben kann, aber die Trennung fällt mir auch heute noch schwer!

There are several reasons for giving an Italian title to this second contribution to the “model”. One is the fact that I designed these box stages out of packaging material in Italy a few years ago, another is my love for the “Comedia dell arte” and its characters and a third is that I am writing this post in Italy.

Stages were already known in ancient theaters and one can even fantasize that stage sets were designed as models for certain plays and productions back then – even if they weren’t made of packaging material.

I am fascinated by this packaging, which is precisely formed around goods and their accessories.

I tried to include the comparatively large stage space with „wires“ in the form of simple cords. The protruding bases, arches, shells and struts became the location of individual „scenes“. An additional spatial „dramatic“ component can arise through allusions to perspectives.

These ready-made reliefs challenge an innate play instinct in me. This becomes clear to me at the latest when it comes to disposing of this “waste”. I realize that one cannot keep everything, but the separation is still difficult for me today!

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Modello- ein hot spot künstlerischer Arbeit (art77blog.axel-von-criegern Nr.338).

Im Beitrag Nr.337 habe ich den alten und vertrauten Begriff „Modell“ neu entdeckt. Im Buch „Der Bildakt“ von Horst Bredenkamp ist das Modell ein Kernbegriff „intrinsischer“ Bildakte. Vom „Modus“ (Maß) abgeleitet l(Modellino), verweist der Begriff auf „die fundamentale Bestimmung der Verkleinerung“(S.285). Sofort fallen mir meine aus Säge-Abfällen bei der Holzverabeitung entstandene Plastiken ein (1995/96) zu denen meine Schwiegertochter (selbst Malerin) meinte, daß sie wie Entwürfe für große Monumente aussähen.. Nun waren sie beileibe nicht so gemeint, aber etwas von der „fundamentalen Bestimmung“ steckt natürlich drin. Die grundlegenden Gestaltungsschritte beim Zusammenfügen fremder Stücke einschließlich der Bemalung werden in jedem Maßstab gefordert. So wurden diese kleinen Montagen unbeabsichtigt zu Modellen. (Vergl. Axel von Criegern,: Meine Bilder, Tübingen; Wasmuth 2009. S.133 ff.)

In article no. 337 I rediscovered the old and familiar term „model“. In the book „Der Bildakt“ by Horst Bredenkamp, ​​the model is a core concept of „intrinsic“ Bildakten. Derived from „mode“ (measure) l(Modellino), the term refers to „the fundamental determination of reduction“ (p.285). I immediately think of sculptures (1995/96) made from waste from sawing wood, which my daughter-in-law (who is a painter herself) said looked like designs for large monuments „fundamental determination“ is of course in it. The basic design steps involved in assembling foreign pieces, including painting, are required at any scale. So these little montages unintentionally became models. (Cf. Axel von Criegern: Meine Bilder, Tübingen; Wasmuth 2009. p.133 ff.)

„Der Text, den Sie schreiben, muß mir den Erweis erbringen, daß er mich begehrt.“(art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 337)

Axel von Criegern „Konzepte zeichnerischer Auseinandersetzung mit einem Bild“. Aus: Kirschenmann/Schulz (Hrsg.) Aspekte.Impulse und Beispiele zur Vermittlung historischer Kunst“ München Kopaed 2o21, S.210-228

Der Titel dieses Beitrags ist ein Zitat von Roland Barthes und stammt von der Rückseite eines Suhrkamp Notizbuchs mit dem Titel „Die Lust am Text“. Wer werden die LEUTE SEIN, DIE MEINEN ANGESTREBTEN TEXT LESEN WERDEN? Ganz sicher Leute, die die kaum mehr nachvollziehbare Theoretisierung der Kunst satt haben. Sowohl meine 50 „Briefe aus der Ästhetischen Provinz“ (BDK-Mitteilungen ab 1989) als auch art77blog (seit 2016) basieren auf der Forderung Bilder und Texte in gleicher Weise ernst zu nehmen. Angesichts der steigenden Bilderflut gilt es verstärkt dem „Visuellen Analphabetismus“ entgegen zu wirken.

In den vergangenen 2 Wochen habe ich nach Unterstützung für mein Vorhaben gesucht und dabei den angelsächsischen Pragmatismus wieder entdeckt. An erster Stelle stieß ich auf Jerry Brotton „The Renaissance. A very short introduction“, Oxford, University press. Wirklich kurz aber überraschend gehaltvoll. Es ist die Fähigkeit Bilder sowohl als Ausdruck und Beleg als auch Produkte historischer Veränderungen zu vermitteln. Dieses Selbstverständnis   Bilder als ´teamplayer´ zu verstehen und zu verwenden, trifft sich mit meinen Ambitionen. Von dort ausgehend habe ich meine Kunstgeschichtsbücher gesichtet und bin auf „Der Bildakt“ von Horst Bredenkamp gestoßen (Klaus Wagenbach Berlin, 2015).Mich beeindruckt dieser Quereinstieg in die vertraute Kunstgeschichts-Literatur. Auch hier ein weltoffener Blick auf die Dynamik der Kunst und der Bilder generell. Im Kapitel „Der intrinsische Bildakt: Form als Form“ stieß ich auf ein Unterkapitel „dasModell als Löser und Fessel.“ (S.283-315). Hier fühlte ich mich wohl mit meinen unterschiedlichen Modellen und Verkleinerungen. Das war der Groschen, der hörbar fiel: Der Text, den ich zu schreiben beabsichtige, ist der Versuch meine Modell-Ansätze zu synchronisieren. Hoffentlich ein „begehrender“ und begehrter Text.

The title of this article is a quote from Roland Barthes and comes from the back of a Suhrkamp notebook entitled „Die Lust am Text“. WHO WILL BE THE PEOPLE WHO WILL READ MY TARGETED TEXT? Definitely people who are fed up with the almost incomprehensible theorizing of art. Both my 50 „Letters from the Aesthetic Province“ (BDK-Mitteilungen from 1989) and art77blog (since 2016) are based on the demand to take pictures and texts equally seriously. In view of the increasing flood of images, it is important to counteract “visual illiteracy”.

In the past 2 weeks I have been looking for support for my project and rediscovered Anglo-Saxon pragmatism. The first place I came across was Jerry Brotton’s The Renaissance. A very short introduction”, Oxford, University press. Really short but surprisingly rich. It is the ability to convey images as expressions and evidence as well as products of historical change. This self-image of understanding and using images as ‚team players‘ coincides with my ambitions. From there I looked through my art history books and came across Horst Bredenkamp’s „The Picture Act“ (Klaus Wagenbach Berlin, 2015). I was impressed by this lateral entry into the familiar art history literature. Here, too, a cosmopolitan view of the dynamics of art and images in general. In the chapter „The intrinsic pictorial act: form as form“ I came across a subchapter „the model as solver and shackle.“ (pp.283-315). Here I felt comfortable with my different models and reductions. That was the penny that audibly dropped: The text I intend to write is an attempt to synchronize my model approaches. Hopefully a „desirable“ and coveted text.

 

Hilfe, ich bin ein bekennender Kunst-Spießer! (Art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 336)

Der künstlerische (und existenzielle) Tiefpunkt unserer wunderbaren Berlin -Tage. Gut, das muss ich erklären. Blättert man durch mein kleines Skizzenbuch, lässt sich das vielleicht nachvollziehen.

 

Das sind die sicher wichtigen täglichen „Fingerübungen“ im Alltag: beim shopping mit den Enkeln, eine Straßenecke, in einem Park, in einem Internet-Cafe , Straßenhändler…Wie gesagt: Routine. Die wurde allerdings in Berlin durch einige künstlerische Erlebnisse in Frage gestellt. Im Wesentlichen war das der Besuch der renovierten Neuen Nationalgalerie. In der riesigen Eingangshalle hatte sich eine Menschenmenge um die zentrale Fläche versammelt und wartete. Aus dem Nichts tauchte eine Tänzerin auf und wirbelte diagonal durch den Raum auf eine Flötistin auf der anderen Seite zu. Die spielte abgewandt vom Innenraum unglaublich reich und ausdrucksvoll. Aufschreie, Atem, schrille und beruhigende Passagen. Wir waren zufällig zu Besuchern eines für vier Tage und für diesen Raum entwickelten Tanzereignisses der belgischen Tanzkompanie „Rosas“ der Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker geworden! Vielleicht war ich von diesem Erlebnis so angeregt, dass mich die Ausstellungen im Untergeschoss voll „erwischten“. Das begann mit dem großräumigen, exzellent präsentierten Druckwerk Gerhard Richters. Die Perfektion, Sorgfalt, Kühle der Präsentation hält einen auf Abstand und führte mir meine eigene geringe Bedeutung vor Augen. Der anschließende Rundgang durch die „nationale“, jüngere Kunstgeschichte , die wie in einer Ruhmeshalle und gleichzeitig ungeheuer überzeugend präsentiert wird, zwang mich dann vollends in die Knie.

Ich kann alle verstehen, die in solchen Momenten an sich selbst zweifeln. Ich war einer von denen. Im Lauf des Tages entstand dann besagte Zeichnung. Sie ist im wahrsten Sinne ein „disegno povero“.  Ich ließ die Striche unprätentiös laufen. Ohne Thema, ohne Ordnung. Natürlich schlichen sich Elemente ein, die an das Erlebte anschließen. Aber ich hatte das Gefühl der Entlastung, eines bescheidenen, aber auch rettenden Gegenübers zu all der kulturellen Wucht…

Wieder zurück in meinem geliebten Tübingen, merkte ich wie die Dinge hier vertrauter waren und in den Proportionen beschaulicher zusammenrückten. Es gibt auch nicht die Wucht der künstlerischen Ballung, die einen erdrückt. Hier ist die Kunst eher Begleiterscheinung des geistig-kulturellen Schwerpunkts, kaum gleichberechtigt. Vielleicht bilde ich mir das ein, dass ich hier weniger unter äußerem Druck stehe und die Messlatte niedriger hängt. Heute morgen las ich im “Schwäbischen Tagblatt” über einen Trend in Deutschland  “Spießbürger”  sympathischer  zu verstehen. Ohne dem jetzt weiter nachzugehen erinnerte es mich daran wie häufig ich mich selbstironisch als Spießer bezeichne. Für mein  Berliner Erlebnis habe ich jetzt dadurch genauere Bestimmung: Vielleicht war das ein unvermeidlicher und letztlich heilsamer “Spießer-Schock”.

” Help! I am a bourgeois artist!”

These are certainly important daily „finger exercises“ in everyday life: when shopping with the grandchildren, on a street corner, in a park, in an internet cafe, street vendors… As I said: routine. However, this was done in Berlin by some artistic. experiences in question. Essentially, that was the visit to the renovated New National Gallery. In the huge entrance hall, a crowd had gathered around the central area and was waiting. A dancer appeared out of nowhere and whirled diagonally across the room toward a flutist on the other side. Turned away from the interior, it played incredibly richly and expressively. Screams, breath, shrill and soothing passages. We happened to be visitors to a dance event developed for four days and for this space by the Belgian dance company “Rosas” by choreographer Anne Teresa de Keersmaeker! Perhaps I was so excited by this experience that the exhibitions in the basement „got me“. It all began with Gerhard Richter’s large-scale, excellently presented printed work. The perfection, care and coolness of the presentation kept everybody at a distance and made me realize my own inferiority. The subsequent tour through the „national“, recent art history, which is presented like in a hall of fame and at the same time incredibly convincing, then brought me to my knees.

I can understand everyone who doubts themselves in such moments. I was one of them. In the course of the day, the said drawing was created. Itis a “disegno povero” in the truest sense. I let the strokes run unpretentiously. No topic, no order. Of course elements crept in that connect to the experience. But I had the feeling of relief, of a modest but also saving counterpart to all the cultural impact…

Back in my beloved Tübingen, I noticed how things were more familiar here and the proportions moved closer together. There is also not the force of the artistic agglomeration that overwhelms you. Here, art is more of a side effect of the intellectual and cultural focus, and hardly has equal status. Maybe I’m imagining that I’m under less external pressure here and the bar is lower. This morning I read in the „Schwäbisches Tagblatt“ about a trend in Germany to see oneself as a philistine. Without pursuing this any further, I was reminded of how often I ironically describe myself as a bourgeois. With the Berlin experience I now have something more accurate determination.

Kunst ist immer sozial (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.334)

„Denken kann ich alle möglichen Optionen künstlerischen Handelns. Das ist für die Kunsthistoriker Basis. Neu ist das praktische Erproben. Wirklich revolutionär ist das „darauf zuarbeiten“, das heißt das von einer eigenen künstlerischen Position aus mit dem/der anderen (Künstler) in einen Dialog zu treten. Das ist mehr als die künstlerische Auseinandersetzung, weil ich das Gegenüber dazu herausfordere das eigene Arsenal der Möglichkeiten zu öffnen. Aktuellen Dialogpartnern entstehen sichtbare Ergebnisse, in die die Leistung des „stummen“ Partners mit eingehen“.

‚Erkenntnis-Gitter‘

„Jeder Strich hat auch eine Erkenntnis-Option (neben der gestalterischen. Innerhalb von beiden gibt es dann wieder die ganze Bandbreite. Das Berauschende sind die fließenden Übergänge!“

“Welche Rolle spielt die Dimensionierung?“

“Ce` solo una cosa che conta: fare,fare,fare!  Agire,agire, muovere, muovere, spostare , cambiare.“

Diese Texte fand ich auf  einer Zeichnung aus dem Jahr 2006, also 10 Jahre vor dem Beginn des art77blog. Auch damals schon war das Gitter Erkenntnis-und Gestaltungsmodell. Es war die Zeit in der ich „sozial“ als gestalterische, ästhetische  Dimension  verstand.Theatralische  Skizzen und Entwürfe füllten in dieser Zeit ganze Mappen.

Mit den Erfahrungen einer uns überlegenen Viren-Macht und mit Putins aggressivem Vorgehen gegen die Ukraine rückten uns innerhalb der letzten zwei Jahre neue Probleme auf den Hals, die andere soziale Wirkungen hatten.

Es gab einige künstlerische Ansätze die Themen „Corona“ und. „Krieg“ ästhetisch zu gestalten, aber mir ist keine überzeugende Lösung in Erinnerung geblieben. Mit überzeugend meine ich Callots Grafiken, Goyas Greuel-Bilder, Klage und Aufschrei der jungen Künstlerinnen und Künstler im und nach dem 1.Weltkrieg. Kann es sein, dass wir die aktuellen Katastrophen wahrnehmen aber nicht erleiden? Irgendwie wird heute alles gemanaged. Dazu gehören Fake-Bilder;Fake-Nachrichten, Fake-Angriffe, Fake-Statistiken u.a. Auf sie könnten möglicherweise Collagen a la John Heartfield oder Hannah Höch reagieren?! Ich weiß es nicht. Was ich selbst erlebe ist die Unsicherheit beim Verarbeiten der Medien-Informationen. Das führte bei mir zu einer gewissen Vereinsamung und gleichzeitig zu neuen Freunden. Für viele sind finanzielle Einschnitte oder nicht mögliche Publikumskontakte sicher auch leidvoll erfahrene soziale Auswirkungen. Zumindest im Zusammenhang mit Ausstellungen blieb mir das erspart. Was ich mit dem Beitragsbild zeigen wollte ist, daß ich (noch?) keine künstlerische Antwort auf  die neuen sozialen Herausforderungen gefunden habe- obwohl ich sie sehr wohl alltäglich spüre. Historisch fühle ich mich in dieser Reaktion dem unerreichbaren und unvergleichlichen Paul Klee nahe.

Lernen geht manchmal komische Wege./ A strange way of artistic learning (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.333)

Eigentlich bin ich der Überzeugung, dass wir immer lernen; ja, dass Leben ohne Lernen gar nicht geht. Und eigentlich rechne ich dauernd damit. Aber manchmal ist das doch überraschend. So geschehen in der Ausstellung ausgesuchter Werke der Kunsthalle Emden in der Kunsthalle Tübingen. Eine sehr gute und anregende Ausstellung, die den Expressionismus aus den üblichen Schubladen holt und neue, sehr anregende Zusammenstellungen bietet. Der pathetische Titel „Herzstücke“ verrät auch etwas vom persönlichen Engagement der beiden Chefinnen der Emdener und Tübinger Kunsthalle, Lisa Felicitas Mattheis und Nicole Fritz. Die Ausstellung ist bis 6.Juni täglich geöffnet.

Mich hat die „kleine italienische Landschaft“ von Max Beckmann (1938) überrascht. Nicht aus bildnerischen, künstlerischen Gründen, sondern technischem Staunen. Gleich zu Beginn des Rundgangs wird man von der strahlenden Helligkeit der Farben angezogen. Ich hatte Zweifel ob das Beckmanns Original oder ein Dia-Leuchtkasten ist.. 

Als ich meinem Freund, dem Bogenbaumeister Michele Facchino, von diesem Erlebnis erzählte, hatte er, ohne die Ausstellung schon gesehen  zu haben, eine Idee. Man könne ein Bild, ohne Spotlight, zum Leuchten bringen. Und zwar mit einer Glasscheibe. Wenn nämlich von einer Seite Licht durch die Scheibe geleitet wird, wirkt die Fläche des Glases wie eine  gleichmäßige Beleuchtung. So habe ich’s verstanden. Ganz schön magisch. Jetzt aber zum „komischen“ Teil.

In meinem Skizzenbuch hatte ich eine Buntstift-Zeichnung für den heutigen blog-Beitrag angelegt. Ich dachte dabei an das Thema „Einzelform und Bild“. Der Zeichnung fehlte aber der bestimmte Kick, den es braucht, um als Hingucker zu funktionieren. Und da kam die Leucht-Ästhetik der „kleinen italienischen Landschaft“ zum Zuge. Sie brachte mich zu den dominierenden schwarzen Linien, die bei Beckmann die bunten Farben wie Edelsteine fassen und zum Leuchten bringen. Gleich gestern habe ich das bei meiner Zeichnung mit Hilfe schwarzer Marker angewendet. Klar, dass durch diesen Schritt weitere Korrekturen und Ergänzungen erforderlich wurden. Aber das Bild gewann dadurch an Kraft.

Actually, I believe that we are always learning; yes, that life without learning is not possible. And I actually count on it all the time. But sometimes that is surprising. This is what happened in the exhibition of selected works from the Kunsthalle Emden in the Kunsthalle Tübingen. A very good and stimulating exhibition that takes expressionism out of the usual drawers and offers new, very stimulating compilations. The pathetic title „Herzstücke“ also reveals something of the personal commitment of the two directors of the Emdener and Tübinger Kunsthalle, Lisa Felicitas Mattheis and Nicole Fritz. The exhibition is open daily until June 6th.

Max Beckmann’s „Small Italian Landscape“ painted in 1938 surprised me. Not for visual, artistic reasons, but for technical amazement. Right from the start of the tour, one is drawn in by the radiant brightness of the colors. I had doubts whether this is Beckmann’s one-off work or a slide lightbox. When I told my friend, the master archer fore string instruments Michele Facchino, about this experience, he had an idea without having seen the exhibition. You can make a picture shine without a spotlight with a pane of glass. If light is passed through the pane from one side, the surface of the glass appears as a uniform illumination. That’s how I understood it. Pretty magical. Now for the „funny“ part.

In my sketchbook I had created a colored pencil drawing for today’s blog post. I was thinking of the topic “individual form and image”. However, the drawing lacked the certain kick that it needs to function as an eye-catcher. And that’s where the luminous aesthetics of the „small Italian landscape“ came into play. It brought me to the dominant black lines that, in Beckmann’s work, grip the bright colors like gems and make them shine. Just yesterday I applied this to my drawing with the help of black markers. It goes without saying that this step required further corrections and additions. But the image gained strength as a result.

 

 

Frühling

Ich nenne es Frühling. Nachdem art77blog Nr.331 vergangene Woche veröffentlicht war, nagte eine unterschwellige Unzufriedenheit an mir: War es nötig gewesen meine künstlerischen Leistungen so in Frage zu stellen? Irgendetwas ist da falsch gelaufen. Ich glaube alle kennen die Lähmung, die sich danach einstellte. Soll man nicht überhaupt den Bettel hinschmeissen?

Und dann kamen diese unglaublichen Sonnentage. Wie ein Hund im trockenen Laub rumschnüffelt, suchte ich den künstlerischen Sinn meiner Arbeit. Und füllte Seite um Seite. Am Ende war es der Rhythmus, der als Grundmotiv übrig blieb. Das Schreiben ging in frei schwingende Linien über. Diese entdeckte ich nun auch in der kleinen Buchsbaum-Arbeit, an der ich jeden Tag ein Stückchen weiter komme. Noch überraschender war der befreite Blick, der sich jetzt einstellte. Das Rot der kleinen Dickmadam leuchtete so belebend, daß ich beschloß eine der sich aus dem Schreiben lösenden Linienzeichnungen zu aquarellieren. 

Die sich zum Positiven wendende Sicht der Dinge bezog sich auch auf den sich  nun schon so lange dahinschleppenden Corona-Blues und den grausamen russisch-ukrainischen Krieg. Es war als ob sich das Ich aus der lähmenden Depression frei machte und die Nachrichten als solche wahrnehmen konnte.

Und jetzt komme ich zum Frühling zurück. Ein Blick in die Geschichte der Literatur, der Dichtung, der Buchmalerei und Kunst zeigt dieselbe euphorisierende Wirkung des Mythos Frühling. 

Und die macht offenbar auch nicht vor dem Alter halt!

 

 

Künstlerische Bildung/ art education (art77blog.axel-von-criegern.de ; Nr. 331)

Buchsbaum, 20x6x6cm , in progress.    “Szenerien”,Marker, ©️voncriegern 2022

Warum habe ich es vorgezogen mich künstlerisch zu bilden als “ volle Kanne” Künstler zu werden? Ich folgte einem Erziehungs-“Kompass”,der zur Kunst offen war, aber aus den (elterlichen) Erfahrungen der Jahre 1945 ff. eine Existenz als Künstler ausschloss. Zehn Jahre später sah das schon ein bisschen anders aus. In einem Freundeskreis junger Künstler hatte man in der Industriestadt Göppingen einen Sonderstatus. Trotz der Faszination durch den Maler Helmut Baumann gab es Druck von den Eltern doch bitte das Abitur zu machen. Im ersten Semester an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste kam ich ins Strudeln. Eine junge Liebe, die im Auktionshaus Ketterer arbeitete, sah sich schon in der Rolle der klassischen Künstler-Freundin. Ein Klassenkamerad, der schon als Grafiker gearbeitet hatte, sich eine Vespa leistete und gegen Naturalien einen Jazzkeller dekorierte, ließ mich an seinen Vorstellungen von Freiheit teilnehmen. Ergebnis: Ich sah an der Akademie keine Zukunft für mich. Als ich auf meinem “Fluchtweg” Bundeswehr dasselbe erlebte, meldete ich mich bei meinem alten Akademie-Professor geschlagen zurück.

Ab da “erforschte” ich die Kunst, machte Staatsexamina für den Schuldienst und verstand die Kunst als mein Forschungsgebiet. ( vergl. Axel von Criegern, Meine Bilder, Tübingen (Wasmuth) 2009 und art77blog.axel-von-criegern: “Wie geht Kunst?” Edition cantz, 2019.)

Die beiden Beitragsbilder stehen für eine interessante Wende: Die Rückkehr der künstlerischen Praxis als zentrale Grösse der künstlerischen Bildung. Bereits 1972 stützten sich in frühen Veröffentlichungen meine Argumentationen auf Zeichnungen. Mehr praktisch als theoretisch.   abgesichert, galt das bereits für Arbeiten in meinem Kunstgeschichtsstudium und die Dissertation. Inzwischen haben praktische Arbeiten und Reflexion ein völliges Gleichgewicht. Sehr verkürzt könnte ich sagen: sie stützen sich gegenseitig. Eine Folge ist , dass zwischen den so entstehenden praktischen Arbeiten eine Beziehung zu studieren ist, die ich allerdings mehr ahne als erkenne.

Why did I choose to educate myself artistically rather than become a „full power“ artist? I followed an upbringing „compass“ that was open to art, but from the (parental) experiences of the years 1945 ff. excluded an existence as an artist. Ten years later things looked a little different. In a circle of friends of young artists one had a special status in the industrial town of Göppingen. Despite the fascination with the painter Helmut Baumann, there was pressure from the parents to please do the Abitur. In the first semester at the State Academy of Fine Arts I got into trouble. A young love who worked at the auction house Ketterer already saw herself in the role of the classic artist girlfriend. A classmate who had already worked as a graphic designer, bought a Vespa and decorated a jazz cellar in return for something in kind, let me participate in his ideas of freedom. Result: I saw no future for myself at the academy. When I experienced the same thing on my “escape route” from the Bundeswehr, I reported back to my old academy professor, defeated.

From then on I “researched” art, took state exams for teaching and understood art as my field of research. (cf. Axel von Criegern, Meine Bilder, Tübingen (Wasmuth) 2009 and art77blog.axel-von-criegern: “Wie geht Kunst?” Edition cantz, 2019.)

The two featured images stand for an interesting turning point: the return of artistic practice as a central factor in artistic education. As early as 1972, my arguments were based on drawings in early publications. More practical than theoretical. secured, this was already the case for work in my art history studies and the dissertation. Meanwhile, practical work and reflection have a complete balance. I could put it very succinctly: they support each other. One consequence is that between the resulting practical works there is a relationship to be studied, which I suspect more than I recognize.