„Hafners Tisch“ (Nr. 96)

„Hafners Tisch“, 1985, Mahagoni,H. 200cm ©AvC , links eine Holzskulptur von Ugge Bärtle (Foto Ralf Ehmann)

 

Eigentlich hat die Geschichte gar nichts mit Kunst zu tun. 1984 besuchte ich einmal wieder unseren älteren Kollegen „Ugge“ Bärtle ( 1917- 1990) in seinem Atelier. Wir sprachen über seine Holzskulpturen und sein Lieblingswerkzeug, das flache Zimmermanns-Beil. Wahrscheinlich habe ich gesagt, dass ich auch gern mal ein größeres Stück Holz bearbeiten würde. Jedenfalls wies er auf eine ziemlich lange „Schwarte“ Mahagoni und meinte lässig, die könnte ich haben. Um ehrlich zu sein: ich traute meinen Ohren kaum und fragte auch nicht weiter nach. Stattdessen begann ich noch an Ort und Stelle das gute Stück mit dem Zimmermanns-Beil zu bearbeiten. Später holte ich die angefangene Skulptur zu uns und arbeitete hinter dem Haus weiter. Was tun mit dem 2 Meter- Trümmer?  Ich stellte ihn unter eine vorspringende Ecke neben der Atelier auf. 32 Jahre Witterung hält er nun schon aus. Es war Zufall, dass wir just in dem Moment den Gründungsvorsitzenden unseres Künstlerbundes, Kurt Hafner, seines Zeichens Direktor der AOK Tübingen, zum Aperitif eingeladen haben.  Ugge gehörte übrigens  ebenfalls zu den Gründungsvätern. Als Kurt die Skulptur vor dem Haus sah, stutzte er , äusserte sich anerkennend und fragte, woher ich das auffallend schöne Stück Mahagoni hätte. Wahrheitsgemäß erzählte ich ihm die Geschichte. Da veränderte sich seine Stimmung zusehends, einer seiner cholerischen Ausbrüche war zu befürchten. Er beherrschte sich mühsam, dann brach es doch aus ihm heraus: „Des isch mei Tisch!!“ Und er erzählte seine Geschichte: Er hatte von jemandem das Holz günstig  (umsonst?) bekommen und Ugge mit dem Wunsch gebracht, ihm einen Tisch daraus zu machen. Ich kann mir gut vorstellen, wie es Ugge bei diesem ‚ehrenvollen ‚Auftrag zu Mute war. Ab einem bestimmten Punkt ist schon der Gedanke an so eine Sache lästig. Da kam nun dieser junge Kollege, und mit ihm die einmalige Chance, sich dieser Pflicht zu entledigen. Ich denke dass das nicht überinterpretiert ist. Und es spricht Bände über einen  Künstlertyp, der ausgestorben ist. Ugge war noch nach Bildhauerlehre und Meisterschüler-Zeit von Tübingen bis nach Süditalien  zu Fuß gewandert. Künstler-Freundschaft und Solidarität waren ihm wichtig. Den Auftrag ablehnen konnte er nicht, aber sozial und künstlerisch umzuleiten, war verträglich. Ich wusste ja gar nicht, welche Rolle ich bei der Lösung dieses Loyalitätskonfliktes gespielt hatte. Danke Ugge.

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