Egal mit welchem Programm und welchem Bildschirm, immer stellt sich bei mir diese Spiel-Lust ein ! Was ich feststelle ist, dass ich vor einer konventionellen Malfläche diese freudige Unbekümmertheit nicht erlebe. Vor einer Zeichenfläche fühle ich mich zwar sicherer als vor einer Malfläche,aber auch hier spüre ich Hemmungen. Also muss ich mich fragen,was es mit dem Bildschirm besonderes auf sich hat.
Für mich ist es immer das Gefühl des „Gegenüber“, des anderen, mit dem ich kommunizieren kann. Aus der Einheit von Mittel und Träger ergibt sich das Spiel. Und ich bin der Spieler! Ich verschiebe Pixel, nehme sie wieder heraus, lasse mit einem Klick die Fläche füllen. Geht etwas schief, mache ich es rückgängig. Ich bin nicht nur Spieler, sondern auch Beobachter. Dinge entstehen, wachsen außerhalb von mir. Bei mir liegt es zu beurteilen, zu staunen, einen Schritt zurück zu gehen, zu verwerfen. Wahrscheinlich geht es um das Interface zwischen Maschine und Menschenhirn in einer individuellen Ausprägung. Ich wünsche mir sehr dieses Interface-Bewusstsein auf meine gesamte Kunst-Tätigkeit ausweiten zu können!
Siehe auch art77blog vom 29.Juni,2017 “ Computer, Pixel und die Welt aus Zeichen „.
I cannot help, drawing on a computer screen is like playing a free style computer game. I simply love it!
Als ich neulich zum ersten Mal im Museum Segantini in St. Moritz war, verstand ich, warum dieser bedeutende Künstler in ‚meiner ‚ Kunstgeschichte keinen würdigen Platz bekommen hatte. Es ist seine Feierlichkeit, die so gar nicht in meine Spielwelt passt. Der Museumsbesuch war erhellend . Wie vielen Zeitgenossen war auch für den 1858 geborenen Segantini die Ästhetik des Lichts die große Herausforderung .Darin ist er den Pointillisten und Nachimpressionisten verwandt. Aber es geht ihm nicht um optische Phänomene sondern um das Feiern des innigen Verhältnisses von Licht und Natur. Dazu kommt ein Propheten- Habitus, der sich in symbolistischen Verformungen und in der demonstrativen Nebenrolle der Figuren äußert. Seine eigentliche Symbolkraft stecken im gemalten Grashalm, im Felsblock, oder in Schaf, Kuh und Himmel. Das wird einem vollends klar wenn man in die Rotunde hinaufsteigt und sich dem starken Triptychon, das den Kern eines geplanten siebenteiligen Zyklus bildet, gegenüber sieht. Die Natur selbst wird zur Passion. Die Menschen sind Rollenträger und sollen zur Demut vor Natur und Schöpfung aufrufen.
Im Fall seines frühen Todes bekam Segantinis Neigung zum Eremiten etwas Makabres. Er hatte sich auf dem Schafberg oberhalb von Pontresina in einer Hütte ein Atelier eingerichtet und arbeitete dort in aller Abgeschiedenheit an besagtem Triptychon. Als er Leibschmerzen verspürte, konnte er nicht wissen, dass sich damit ein Darm- Durchbruch ankündigte. Niemand konnte ihm dort oben zu Hilfe kommen, selbst ein befreundeter Arzt nicht und so starb er mit 40 Jahren hoch geschätzt in seinen Bergen. Auch der jüngere Freund Giovanni Giacometti stieg zur Hütte auf, konnte aber letztlich nur noch den Toten porträtieren.
Als wir am Tag nach dem Museumsbesuch über den Bernina-Pass weiter in den Süden fuhren und das Weiß des ewigen Schnees in „seinem“ blauen Himmel explodieren sahen, konnte ich für einen Moment das Segantini-Feeling spüren . Die englische Sprache kennt dafür das schöne alte Wort „awsome“.Von der nicht zu bändigenden Macht dieser Natur bekamen wir auch noch etwas mit. Drüben, ein paar Kilometer weiter, in Richtung Maloja, wo Segantini sein eigentliches Atelier hatte, dessen Rotunde in dem Museumsbau zitiert wird, war in der Nacht zuvor eine gewaltige Geröll-Lawine ins Tal abgegangen, hatte die Strasse verschüttet und Menschen in den Tod gerissen.
Gestern sass eine junge Frau mit zwei Kindern auf “ meiner“ Kirchentreppe gegenüber vom Atelier. Da sich sonst niemand dort aufhielt, beherrschte sie die Szene. Während ich mit einem Grafitstift skizzierte, drängte sich ein vertrautes Bildmotiv wie eine Folie hinter meine Zeichnung. Dabei spielte die Zuwendung der Mutter zu den Kindern sicher eine zentrale Rolle. Durch eine Korrektur waren es inzwischen übrigens drei Kinder geworden: Das jüngste auf dem Schoß stehend und die beiden anderen davor. Ich versuche die Bildfolie zu benennen: In der Kulturgeschichte gab es die Urmütter, die im Christentum zur Madonna mutierte. Eines der Motive, das zigtausende von Bildern hervorgebracht hat. Eine zweite Spur ist die fürsorgende Liebe, die Caritas, die in der Regel auch das Bild einer jüngeren Frau mit mehreren Kindern ist. Inzwischen sind die bildbegründenden Wurzeln und Ursprünge dieser Personifikationen weitgehend abgestorben (die Krise der religiösenKunst). Aber wir haben diese Bilder im Kopf. Sie gehören nicht nur zu meinem, sondern zum kollektiven, kulturellen Gedächtnis.
Offensichtlich sind diese Bilder auch heute für künstlerische Aktivitäten von prägender , „subversiver“ Bedeutung. Allerdings ist es im Falle meiner Skizze hinterher sehr schwer zu klären, ob die Erinnerung der Auslöser war oder ob die sich erst während des Zeichnens entwickelte. Ebenso schwierig ist es festzustellen wieweit gar die fertige Zeichnung selbst motivisch und stilistisch diesen diffusen Anmutungen ähnelt, also auf ein bestimmtes historisches Werk Bezug nimmt. Auf jeden Fall war die Wahl des Grafit-Stifts nicht vom Motiv oder Vorbildern bestimmt, sondern allein vom Wunsch kräftig und rasch zu arbeiten.
Die Belegbeispiele für meine Argumentation habe ich erst dann herausgesucht, als mir die Idee zum blog-post gekommen war. Einmal entschlossen, schreckte ich dann auch nicht mehr vor der Nachbarschaft des genialen Raffaels zurück.
Vergl. ähnliche Gedanken in Carola Dewors Kunst-Tagebuch „stiftefieber“
„Frau mit roten Haaren“, Zinkblech, Lack: Versuch zur Befreiung des Bildes aus der Fläche…
Ich ein Künstler? Früher hätte ich gesagt : So etwas zu behaupten ist „ziemlich abgefahren“. Für mich hatte der Begriff etwas Anmassendes. Heute sehe ich das anders. Auslöser war ein Beitrag in Carola Dewors Blog “ Stiftefieber“, in dem sie ihre Arbeit als Malerin betont von der Kunst absetzt. Übrigens ebenso wie David Hockney. Irgendetwas störte mich an dieser Zurückhaltung. Da ich ja immer wieder betone, dass ich meinen Blog nicht schreibe um meine Arbeiten zu vermarkten, half mir die Auseinandersetzung mit dieser Position dabei, zu verstehen, warum ich schreibe. Wenn ich gelegentlich schnoddrig sage, dass ich das für mich mache, ist ein Körnchen Wahrheit drin. Ich sehe nach meinem Verständnis im Blog eine Form Kunst zu erkunden und zu produzieren. Dazu gehören praktische Beispiele und zugrundeliegende oder daran festgemachte Gedanken. Ich stelle also die für die Argumentation praktischen Beispiele aktuell her und greife je nach Bedarf auch auf frühere Arbeiten zurück. Damit konzipiere ich den Blog so, daß er meinem Anspruch der engen Bild- Text-Verbindung genügt. Ob das nun ein Spiel mit der Kunst ist, wie Peter Prange meint oder ein hartnäckiges und begeistertes Forschen im Bereich Kunst, wie ich es selbst sehe, ist dabei unerheblich. Also doch eher Künstler? Ich denke schon und zwar weil es mir um die Kunst als Ganzes geht, jenseits ihrer Gattungen, Markt- und Nützlichkeitsüberlegungen.
Peter Prange , „Homo ludens oder der Professor als Spielkind der Kunst“. Vorwort zu Axel von Criegern, Meine Bilder. Tübingen (Wasmuth Verlag), 2009
An der Mündung Gartenstraße lehnen zwei junge Frauen entspannt an einer Mauer und jede hat ein übergroßes iPhone oder MiniPad in der Hand. Heute ein gewohnter Anblick. Auffallend ist, daß jede auf einer Seite der Gittertür lehnt, die zur Burschenschaft „Germania“ führt. Synchron tippen sie in die Geräte. Ganz offensichtlich kommunizieren sie nicht miteinander und daß sie bei der Burschenschaft Einlass suchen, ist unwahrscheinlich. Auffallend ist auch, daß sie, wie zu einer Performance aufgestellt, beide in Richtung der belebten Kreuzung stehen.
Diese Choreografie ist es, die meinen Blick anzieht. Ihre Haltung ist ausgesprochen graziös und die elegante Bewegung führt von den lässig übereinander geschlagenen Beinen nach oben zu den schwarzen Geräte-Rechtecken. Ein stiller Moment in einem bemerkenswerten pas de deux.
Rückblickend denke ich, daß die Tür eine wichtige Rolle bei dieser „Performance“ spielte. Man nimmt die beiden Frauen gleichsam als Rahmenfiguren, die dem Eingang Gewicht geben, wahr. Diese Betonung verleiht dem Durchblick durch das Gitter etwas Geheimnisvolles. Beim Zeichnen entstand aus diesem Gefühl heraus die Figur eines alten Mannes in der Art der antiken Philosophen, der brüchig und ein wenig geisterhaft in diesem Moment zwischen seinen Musen hervortreten könnte.
Der eigentliche Anreiz dieser Alltagsszene , das was sie für mich zum Motiv machte, war aber das Absurde. Zwei junge Frauen stehen selbstvergessen im hellen Sonnenlicht, völlig unbeeindruckt vom Verkehrstrubel und sind von diesen kleinen Rechtecken, über die ihre schlanken Finger huschen, völlig absorbiert. Jenseits ihrer eleganten Performance, jenseits aller künstlerischen und poetischen Anmutungen muss es eine Welt geben, die die beiden in ihren Bann zieht, noch aufregender als… na ja, vielleicht ist es ja mein blog???!!!
1.) Ich erinnere mich genau daran, wie ich meine Hände bebachtete. Sie formten die weisse Plastik-Masse ( Fimo Basic) ohne dass ich eine klare Idee gehabt hätte, in der Art einer Schale. Als diese Form zu deutlich wurde, drückte ich die Ränder zusammen, beachtete stärker die kugelige Muschelform und versuchte durch Dellen und Ausbeulen die Gesamtform lebendiger zu machen. Erst zwei Tage später, also heute, nachdem die kleine Plastik lederhart getrocknet war, kam die Farbe hinzu.
2.) Mich interessiert dieser „drive“ zum Kugeligen und Runden, der bereits in Studienarbeiten des Zwanzigjährigen zu erkennen ist. Als Kind konnte ich kaum Bällen widerstehen und erinnere mich daran wie mich das Tennis – Spiel vor allem wegen der flauschigen Bälle anzog. Später träumte ich von einem Ball-Museum. Beim Treiben vom Metall und Bildhauen kann ich mir aufgrund des Dialogs mit dem widerständigen Material solche Rundungs-Entstehungen einigermassen erklären. Das gilt aber nicht in vergleichbarer Weise für plastische Materialien wie das „Fimo“ oder gar für eine Zeichnung.
3.)Vielleicht ist es zu „platt“, wenn ich in meiner -zugegeben altmodischen- Faszination von Frauen oder etwas mystischer vom Weiblichen schlechthin, eine Verbindung zu einer nicht zu leugnenden Vorliebe für runde Formen sehe. Immerhin hänselte meine Mutter den pubertierenden Künstler wegen dieser Neigung: „alles nur künstlerisch betrachtet!“
4.) Ohne dass ich einen direkten Zusammenhang zum besagten künstlerischen “ drive“ sehe, bieten die steinzeitlichen Frauenfigürchen interessantes Material.. Da dieselben Menschen zur selben Zeit in der Lage waren Tiere und einen „Löwenmann“ (Museum der Universität Tübingen) in realistischen Umrissen und Proportionen darzustellen, verband sich mit den voluminösen „Venus“- Figürchen aus Elfenbein (von Mammuts), wahrscheinlich die Vorstellung von Wohlgenährtsein und Fruchtbarkeit.Die Venus von Milo hätte sich bedankt!
5.) Vielleicht ist also die schmerzliche Erinnerung an unser Hungern am Ende und nach dem zweiten Weltkrieg eine Brücke zur wohlgenährten Rundung!? Ebenso spekulativ , aber immerhin mit einem authentischen Hintergrund ist eine Erfahrung, die ich bei einem Manöver der Bundeswehr gemacht habe. Im Winter 1959/60 mussten wir schlecht ausgerüstet bei bitterer Kälte im Schnee liegend auf den „Feind“ warten. Irgenwann beginnt man in jedem Wacholderbusch einen Menschen zu sehen, der sich vorsichtig heranschleicht. Kälte, Erschöpfung und nicht eintreffende Verpflegung führten bei mir zu einer weiteren Haluzination: Ich träumte mit offenen Augen von Sahnetorte!!
6.) Auch das auf unserem Planeten offensichtlich vorkommende Mästen von Frauen, die Brustvergrösserungen, das Staunen angesichts von „Atombusen“ erinnern an den Mythos „Weiblichkeit“. Typisch für die Moderne scheint allerdings das Nebeneinander von Gegensätzen zu sein. So sind Bulemie und bauchnabelfrei zur Schau gestellte “ Scheinschwangerschaften“ nebeneinander zu sehe., Die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts kannten „Twiggy“- Modelle neben Brigitte Bardot, Lollo Brigida und Marilyn Monroe.
7.) Angesichts der Mühe, die ich mir mache Argumente zu finden, kommen mir vermehrt Zweifel, ob das Ganze nicht ein Holzweg ist und zu psychologischen und gendrischen Fragen anstelle des künstlerischen Phänomens der runden Form führt. Nicht umsonst störe ich die Rundungen beim Arbeiten an einem bestimmten Punkt, weil Rundungen allein langweilig sind. Für die Kunst gilt: Das Weibliche entfaltet seine Wirkung nur vor dem Hintergrund des Männlichen, Yin und Yang gehören zusammen Wie sonst sollte ich mir erklären, dass ich bei aller Neigung zu rundlichen Formen vor einigen Bildern Mondrians in Ehrfurcht erstarre und mir eine Welt ohne Strukturen nicht vorstellen kann?! Schliesslich möchte ich meine eigenen geometrischen Versuche nicht als Unfug abtun.
„20 Lebensjahre “ Skizze für eine nicht geplante Dokumentation Mitte der 1980er Jahre wurde eine Jeans-Werbung großformatig plakatiert mit dem auf alt gemachten Foto eines Paars in der Mitte und dem darüber lässig hingeworfenen, weißen Schriftzug „life is your film“.
Klar worauf das hinausläuft: fühle dich wichtig als Hauptdarsteller in einem Film, den du selbst produzierst. Nun ist das Thema Selbstinszenierung in Kunst und Literatur nicht neu, aber noch nie wurde man so unverblümt aufgefordert eine Medienperson zu sein: Kaufe unsere Jeans ‚POP 84‘ und du bist ein Filmheld. Lässt man einmal die dreiste Medien-Anspielung beiseite, stößt man auf einen besonders bei jungen Leuten hochsensiblen Punkt: man möchte wahrgenommen werden und am liebsten in seiner Einmaligkeit, der besonderen Identität.
Eng damit verbunden ist die Frage nach der Wirkung auf andere. Auch diese Frage hat eine lange Geschichte. Man denke nur an Legenden und Bilder von Herrschern und Heiligen. Abgesehen von all dem hat jeder Mensch das Grundbedürfnis nach Klarheit über sich selbst. Wir arbeiten kontinuierlich an der Konstruktion unseres Bildes. Wie empfindlich wir hier sind, zeigt uns der Blick in ein Fotoalbum oder Fotobuch. Bilder spielen ein doppeltes Spiel. Sie sind Spiegel, in denen wir uns gern vorteilhaft sehen, und zwar so, wie wir gern gesehen würden.
Ich hatte neulich Lust darauf probeweise die ersten zwanzig Jahre meines Lebens mit Hilfe kleiner Skizzen zu rekonsruieren. Dabei entstand ein Puzzle aus Situationen, Orten, Gegenständen, die mir nach 57 Jahren spontan einfielen. Etwas war auffallend : bis auf wenige Ausnahmen handelte es sich um bereits schon früher von mir aufgegriffene Situationen. Ohne das Ganze als ‚Film‘ zu verstehen, hatte ich offensichtlich immer wieder einzelne Situationen bearbeitet. Völlig neu war nun die Herausforderung eine ‚ stimmige ‚ Reihe zu entwickeln. Ich spürte ,wie das die größere Aufgabe war. Es ging darum einen „Plot“für einen Film zu entwerfen, in dem sich zwanzig Jahre gelebten Lebens für mich überzeugend wiederfinden. Eine harte Nuss!!
Ich kenne dafür kein Beispiel, aber für einen solchen Plot kann man Fotos, Filmausschnitte, Schrift, Interviews, Musik, zeitgeschichtliche Dokumente, Perspektivenwechsel, verwenden. In jedem Fall ist aber die Skizze als Vorarbeit wichtig. Ich kann mir vorstellen, dass das Spiel mit Medien die Versuchung zur Manipulation erhöhen. Muss nicht sein- jedes Leben ist an sich schon ein spannender Film. Das macht einem die Beschäftigung mit dem Entwurf des eigenen Lebensfilm überdeutlich!
Abb. aus Axel von Criegern, „Die unsichtbare Fotografie oder die Ikonografie des Unbewussten.“ In: Wick, Rainer (Hg), Fotografie und Ästetische Erziehung, München 1992, S. 71-82.