1.) Ich erinnere mich genau daran, wie ich meine Hände bebachtete. Sie formten die weisse Plastik-Masse ( Fimo Basic) ohne dass ich eine klare Idee gehabt hätte, in der Art einer Schale. Als diese Form zu deutlich wurde, drückte ich die Ränder zusammen, beachtete stärker die kugelige Muschelform und versuchte durch Dellen und Ausbeulen die Gesamtform lebendiger zu machen. Erst zwei Tage später, also heute, nachdem die kleine Plastik lederhart getrocknet war, kam die Farbe hinzu.
2.) Mich interessiert dieser „drive“ zum Kugeligen und Runden, der bereits in Studienarbeiten des Zwanzigjährigen zu erkennen ist. Als Kind konnte ich kaum Bällen widerstehen und erinnere mich daran wie mich das Tennis – Spiel vor allem wegen der flauschigen Bälle anzog. Später träumte ich von einem Ball-Museum. Beim Treiben vom Metall und Bildhauen kann ich mir aufgrund des Dialogs mit dem widerständigen Material solche Rundungs-Entstehungen einigermassen erklären. Das gilt aber nicht in vergleichbarer Weise für plastische Materialien wie das „Fimo“ oder gar für eine Zeichnung.
3.)Vielleicht ist es zu „platt“, wenn ich in meiner -zugegeben altmodischen- Faszination von Frauen oder etwas mystischer vom Weiblichen schlechthin, eine Verbindung zu einer nicht zu leugnenden Vorliebe für runde Formen sehe. Immerhin hänselte meine Mutter den pubertierenden Künstler wegen dieser Neigung: „alles nur künstlerisch betrachtet!“
4.) Ohne dass ich einen direkten Zusammenhang zum besagten künstlerischen “ drive“ sehe, bieten die steinzeitlichen Frauenfigürchen interessantes Material.. Da dieselben Menschen zur selben Zeit in der Lage waren Tiere und einen „Löwenmann“ (Museum der Universität Tübingen) in realistischen Umrissen und Proportionen darzustellen, verband sich mit den voluminösen „Venus“- Figürchen aus Elfenbein (von Mammuts), wahrscheinlich die Vorstellung von Wohlgenährtsein und Fruchtbarkeit.Die Venus von Milo hätte sich bedankt!
5.) Vielleicht ist also die schmerzliche Erinnerung an unser Hungern am Ende und nach dem zweiten Weltkrieg eine Brücke zur wohlgenährten Rundung!? Ebenso spekulativ , aber immerhin mit einem authentischen Hintergrund ist eine Erfahrung, die ich bei einem Manöver der Bundeswehr gemacht habe. Im Winter 1959/60 mussten wir schlecht ausgerüstet bei bitterer Kälte im Schnee liegend auf den „Feind“ warten. Irgenwann beginnt man in jedem Wacholderbusch einen Menschen zu sehen, der sich vorsichtig heranschleicht. Kälte, Erschöpfung und nicht eintreffende Verpflegung führten bei mir zu einer weiteren Haluzination: Ich träumte mit offenen Augen von Sahnetorte!!
6.) Auch das auf unserem Planeten offensichtlich vorkommende Mästen von Frauen, die Brustvergrösserungen, das Staunen angesichts von „Atombusen“ erinnern an den Mythos „Weiblichkeit“. Typisch für die Moderne scheint allerdings das Nebeneinander von Gegensätzen zu sein. So sind Bulemie und bauchnabelfrei zur Schau gestellte “ Scheinschwangerschaften“ nebeneinander zu sehe., Die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts kannten „Twiggy“- Modelle neben Brigitte Bardot, Lollo Brigida und Marilyn Monroe.
7.) Angesichts der Mühe, die ich mir mache Argumente zu finden, kommen mir vermehrt Zweifel, ob das Ganze nicht ein Holzweg ist und zu psychologischen und gendrischen Fragen anstelle des künstlerischen Phänomens der runden Form führt. Nicht umsonst störe ich die Rundungen beim Arbeiten an einem bestimmten Punkt, weil Rundungen allein langweilig sind. Für die Kunst gilt: Das Weibliche entfaltet seine Wirkung nur vor dem Hintergrund des Männlichen, Yin und Yang gehören zusammen Wie sonst sollte ich mir erklären, dass ich bei aller Neigung zu rundlichen Formen vor einigen Bildern Mondrians in Ehrfurcht erstarre und mir eine Welt ohne Strukturen nicht vorstellen kann?! Schliesslich möchte ich meine eigenen geometrischen Versuche nicht als Unfug abtun.