Künstlerisches Forschen/ Artistic Research (Nr.104)

„Ikonologie“, 2017, Feder, Tusche, Buntstift
„Jan Steens Bildraum“, o.J. Alublech, Lack

Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich der Begriff „künstlerische Forschung“ etabliert. Gefordert ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit künstlerischen und wissenschaftichen Forschens. Künstler haben schon immer Forschungsleistungen erbracht. Leonardos grafisch reizvolle Naturstudien sollten besondere Phänomene wie Wolken oder Wasserströmungen darstellen und zum besseren Verständnis der Natur beitragen. Damit würde ich heute die Versuche vergleichen Gravitationswellen  bildhaft darzustellen, wie sie in den letzten Tagen durch die Medien gingen. Unbestritten ist die Leistung der Renaissance – Künstler bei der Entwicklung der Perspektive. Und am „Bauhaus“ wurde sehr wohl künstlerisch geforscht ohne den Begriff zu verwenden. Verkürzt lässt sich sagen, dass die Erforschung der künstlerischen Innovationen ein Schwerpunkt der Kunstgeschichte ist.. Häufig bewegt sich die Kunst in Gebieten, die auf den ersten Blick keinesfalls künstlerisch sind, wie die futuristische Kunst beim Darstellen der Geschwindigkeit. Und wie verhält es sich mit Saracenos Erforschung der Statik der Spinnennetze? Angesichts der raschen Entwicklung und Ausdifferenzierung der Wissenschaften kann durchaus gefragt werden warum die Künste zurückhängen sollen. Praktisch geht es um die Förderung der „ wissenschaftlichen“ Kunst und ihrer gesellschaftlichen/ akademischen Anerkennung.

Persönlich berührt mich dieses Thema sehr.„Was ist und wie geht Kunst?“ waren die Fragen, die mich schon in der Schulzeit umtrieben. Meine Lust an der Kunstgeschichte und an den Berührungspunkten von Kunst und Kunstgeschichte resultieren daraus.  Meine Forschungsarbeiten zu Jan Steen und zur  Ikonografie/ Ikonologie sah ich zwar auf einer Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst, aber es dauerte 30 Jahre bis sich bei mir das Bewusstsein ausbildete, dass die künstlerische und die kunstgeschichtliche Steen-Forschung an einem Strang ziehen können, ja müssen. Die geringe Wahrnehmung solcher künstlerischen Forschungs Projekte spricht dafür, dass noch einige Zeit bis zu einer breiteren gesellschaftlichen Anerkennung vergehen wird.

Für mich war die Suche im Internet zu den Stichworten „künstlerische Forschung“, bzw. „ artistic research“  sehr informativ. Einen Einstieg in meine künstlerische Forschung zu Jan Steen vermittelt der Katalog zu meinerAusstellung in der Kunsthalle Tübingen „Wie die Alten sungen. Auseinandersetzung mit einem Bild von Jan Steen (1626- 1679).“  Tübingen 1999.

English summary

There is no doubt that artists did and do research in arts. In the past the church, royalties , social, economic and political changes asked for artistic innovations: Just to mention stained glass windows,  the Medici academy, perspective, the october revolution in Russia or the Bauhaus at Weimar. Particularly the „Bauhaus“ practiced 1919 -1933 artistic research. With the year 2000 we notice an increasing interest in  artistic research, standards, studies, qualifications, academic degrees and careers. The author himself switched from a conventional research in art history in the sixties (Iconography of the merry companies of the dutch painter Jan Steen) to artistic research of the same painter Jan Steen (1626-1679) in the nineties of the last century.

 

Der Alptraum oder Dürers Traum heute.(Nr. 103)

    „Alptraum“, 2017 . Aquarell, Grafit, collagiert

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Ein Protokoll

Beim morgendlichen Aufwachen hatte ich das Gefühl der Bedrohung. Immer deutlicher wurde: Ich hing in einer Kletterwand. Unter mir stieg eine schwarze Brühe immer höher. Über mir war die Wand durch eine Decke geschlossen.

Mein Versuch das Ganze als Bild festzuhalten endete katastrophal. Die Bedrohung kam nicht rüber, mit der Kletterwand verbinden sich andere Ängste. Jeder von Piranesis „Carceri“ (17.Jh.) wirkte- ohne Kletterer -bedrohlicher.

Albrecht Dürer hatte 1525 einen Alptraum als Aquarell dokumentiert und durch die genaue Beschreibung des Traums das Grauen nachvollziehbar gemacht. Er setzte damit eine Marke, an der es sich seitdem zu messen gilt. So beleidige ich ihn noch im Grabe.!

Als wiederholte Versuche das Bild zu verbessern die Situation nur verschlimmerten, dämmerte es mir, dass ich mich mit meiner Darstellung auf ein falsches Gleis begeben hatte: Solche Alpträume werden heute in allen Medien auf höchstem handwerklichen und suggestiven Niveau gezeigt. Und zudem passte mein Entwurf nicht zu meiner Ästhetik. Also nix. Nach einer weiteren Nacht war ich zu neuem Handeln bereit. Diesmal sollten Schere und Klebstoff zum Einsatz kommen. Leider habe ich dann vor lauter neuem Eifer den ersten Zustand nicht fotografiert.

Beim Schneiden und erst recht beim Verschieben der Teile stellte sich das befreiende Gefühl ein, wieder in meine Kunst-Spur zurückzukehren. Eine Spur, die zwar  nicht in erster Linie zum Darstellen von Alpträumen geeignet ist, die es mir aber auf der anderen Seite ermöglicht die traumatischen  Werke   H. Boschs ,F. Goyas oder H. Füsslis , aber auch die Kriegsbilder von Dix und Beckmann immer wieder in ihrer künstlerische Leistung frisch zu würdigen.

M.W. gibt es in der Diskussion der „posttraumatischen Belastungsstörungen“ die Vorstellung durch detaillierte Wiederholungen des Erlebten eine Basis für eine positive oder weniger belastende Wendung zu schaffen. Daran musste ich denken, als ich mit Hilfe der  ausgeschnittenen Teile eine neue Bildwirklichkeit schuf, die von meinem Alptraum wegdriftete. Das Verschränken der erhobenen Arme mit einem Querbalken könnte an finstere Themen wie Kreuztragungen, Sklavenkarawanen, Folterungen erinnern. Die Farbigkeit und die Bewegung der Figur, die hier wie ein beschwingtes Hüpfen wirkt, blockieren solch finstere Anmutungen. Also:  „Ist ja noch mal gut gegangen!“

Mir nur aus Rezensionen bekannt, aber wohl einschlägig: Kreuzer, Stefanie, Traum und Erzählen in Literatur, Film und Kunst. (W.Finke) Paderborn 2014.

Englisch Summary

Recently I woke up from a nightmare: While boldering muddy water was going to reach me. Above was no escape, no chance. Like Albrecht Dürer 1525 I tried to fix this dream. But I failed completely. (Because the 15th century didn’t know photography and movie?) Although I have done hundreds of illustrations before, this one was simply poor. The next day I took scissors and cut this ‚masterwork’ in pieces. I only saved the climber. Doing so I felt much better and free for an own, individual solution. Sure that the light colors  and the motion of this human are not really doom. But the cross timber above may together with the description remind of torture, captivity, slavery…

 

 

Bahnsteig 9 3/4 (Nr.102)

    Achse eines Müllcontainers (Plastik) Foto AvC
Eisentreppe in einer italienischen Markthalle (Foto AvC)
Gulideckel mit Zigarettenkippe (Foto AvC)

Jeder kennt heute den Bahnsteig 9 3/4 aus Harry Potter. Eine wunderbare Idee, die für das Konzept dieser Romanfolge steht. Ich sehe mich permanent auf dieser Schwelle zu einer anderen Welt. Oft war das auch ein Auftrag für den Illustrator. Gar nicht so einfach! Soll doch diese andere Seite für Leser und Leserinnen so überzeugend wie möglich werden. (Vergl.  die von mir für den Klett Verlag gestalteten Deutschbücher „Lesezeichen“ und “ Sprachschlüssel“) Hier ackern heute die Entwickler von  Computerspielen und Fantasy Filmen. Am meisten Laune macht es mir, wenn vor meinen Augen unerwartet Gestalten und Gesichter aus einer anderen Welt hervortreten. Dass  für viele Künstler das Eindringen fremder Welten, bzw. ihr Eindringen in diese zur Obsession werden kann, ist bekannt. Hier denke ich an die mittelalterlichen Darstellungen von Fremdheit (Meeresungeheuer) oder von absoluter Bedrohung ( Fegefeuer, jüngstes Gericht oder Goyas „Capriccios“). Mir liegen die Obsessionen weniger. Mehr unterhält mich wenn mir Dinge in völlig unverfänglichen Situationen in den Blick springen. Das galt z. B. für die alien- Maske, die ich als Achse eines schwarzen Müllcontainers entdedeckte. Ein anderes Thema ist es dann derartige Fundstücke in umwerfende Metall-Skulpturen etwa von Anthony Caro ( z.Z. Im Museum Schütte in Düsseldorf ) verarbeitet zu sehen. Ich war hingerissen und beschämt. Hatte ich doch diesen 1924 geborenen Schüler Henry Moors nicht seinem Rang entsprechend „auf dem Schirm“ gehabt.

English summary

Track 9 3/4

you probably remember the track where Harry Potter and his friends started to Hogwarts. It is the entrance in a magic and mysterious world. In a way artists live aleays on the boarderline to Hogwarts. You don’t need a train to get there. Some days before I stepped right in an aliens‘ mask watching me from a black plastic  waste container. In an italian market hall leads a wonderful stair into nowhere. The day before yesterday I visited a show with metal sculpures of the 1924 born Anthony Caro ( Düsseldorf). He transformed abandonded materials of the industrial world in amazing, beautiful works of art. I say this because used things mustn‘ t necessarily end as trash art.