My Graphic Novel: Woher kommen die Bilder? (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.271)

Motive aus dem „Urschlamm“. Tusche laviert, Grafit, Finemarker. 2021

Die Frage nach der Herkunft der Bilder ist modern. Über Jahrtausende liess die im weitesten Sinne kultische Anbindung der Bilder diese Frage nicht aufkommen. Voraussetzung war die Säkularisierung des Bildes, das es zum ersten Mal jedem anderen Gegenstand wissenschaftlichen Interesses gleichstellte (#Hans Belting). Für die Künstler*innen bedeutete das, dass sie die neuen Bilder erst erfinden mussten und müssen. Diese Vorstellung einer „schöpferischen“ Leistung ist für mich persönlich wichtig. Sie trifft auf alltagstaugliche Aussagen, wie die, dass wir nur sehen, was wir wissen oder kennen(#Goethe). Das mag banal klingen, spielt aber bei meinen Überlegungen zu einer grafisch konzipierten Geschichte eine wichtige Rolle. Schließlich ist man in diesem Fall Autor und sollte sich sehr wohl über seine Ressourcen Klarheit verschaffen.

Ich bin so eingestiegen, wie wir es vom neugierigen Blick auf beliebige bedeutungslose Oberflächen-Muster kennen, in denen wir Fabelwesen, Gestalten, Gegenstände erkennen. Mit verdünnter schwarzer Tusche, Spuren von Lappen und Gittern, gewischt und gepunktet, entstand ein ungeordnetes Muster. Und wie unser suchender Blick über solche Muster streift, ließ ich einen Grafitstift über das Papier streifen und tastete mich an etwas auffallende Kanten oder Punkte heran. Mi einem o,2 mm Fineliner, setzte ich dann Akzente.

Dieser Prozess lässt sich tatsächlich mit dem oben beschriebenen Suchspiel vergleichen. Allerdings nahm ich das Spiel insofern sehr ernst, als sich bei mir immer mehr die Vorstellung festigt, dass alle, historische und aktuelle Bilder, letztlich aus einem „Urschlamm“ kommen. Phantasie, Ideologien, wissenschaftlicher Fortschritt, Befindlichkeiten, Kultur- und Umwelteinflüsse, Verwendung und handwerkliches Geschick u.v.a.m. bestimmen die Qualität der Produkte. Natürlich unterliegt auch diese Überzeugung Voraussetzungen. Bei mir waren das Untersuchungen zum Verhältnis von Bild und Sprache, mein Studienschwerpunkt Grafik und Illustration, die bildhauerische Beeinflussung durch den Vater und nicht zuletzt mein Kunstgeschichts-Studium mit dem Schwerpunkt Ikonologie als Methode und Barock als Zeit. Dazu kam die spannende Diskussion der Frankfurter Schule mit dem besonderen Interesse an der Alltags-Ästhetik. Ein Merkmal der Ikonologie ist die Bereitschaft nicht nur die Literatur, sondern alle kulturellen Einflüsse auf die Bildentstehung in Erwägung zu ziehen. Und letztlich muss ich auch meine langen Lehr-Erfahrungen mit Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Herkunft nennen. Meine Annahme ist also dieser diffuse Hintergrund, aus dem Vorstellungen und Bildwerke entstehen.

Ich denke, dass auch im frühen Stadium der Erarbeitung der ersten Seite dieses Kapitels bereits erkennbar wird, was noch zum „Bild“ fehlt. Mir ist jedenfalls schon klar, dass ich gliedern, rhythmisieren und den gleichmäßigen Fluss unterbrechen muss.

Englisch Summary

After the first three chapters of my Graphic Novel, I realized a gap, an abyss without knowing how to continue. After a while I thought about the job of a writer. She or he has to be aware of her or his basic qualities . So I started to think as a `graphic writer`. In a first step I got to clear my imagination of an undefined hazy ground as base of all existing images. From this „Primal Mud“ start all art activities. The challenge for the following pages will be to cheque more specific and personal chances and decisions.

+Hans Belting hat mehrere Bücher zur Kulturgeschichte des Bildes verfasst. #vergl. Ähnliche Beiträge in art77blog.axel-von-criegern.de: Wie geht Kunst? 2019 #Graphic Novel, #Ikonologie #Frankfurter Schule

„My Graphic Novel“, chapter 3,page3 :Gegensätze (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.270)

Immer wieder Schrift-Berührung ©️2020

Am Beispiel der Graphic Novel ohne „Script“ erfährt man die ganze Wucht der ‚grafischen Verantwortung‘ bei der #reinen Bildkommunikation.
Nach den lebhaften Seiten 1 (Comic) und 2 des 3.Kapitels wollte ich nicht so aufgelöst weiter machen.

My Graphic Novel Chapter3,page 2 ©️Voncriegern 2020

Also begann ich links mit großen,farbigen Formen, an die sich blasse Pinselstriche anschließen. In diese haben ich mit krakeligen Tusche-Strichen und einem roten Marker hineingezeichnet. Rechts davon, in der Mitte der Seite, stehen kompakte, ‚archaische’ Zeichen, die aus mit Grafit abgeriebenen Oberflächen gebildete, entstanden sind. Mit ,Augen zu‘ legte legte ich über diese drei Partien Linien mit rotem Marker. Für mich war das eine ‚kalligrafische’ Schicht. Von dort sprangen meine Gedanken zur „#Signatur der Dinge“ (#Paracelsus 1493-1541), die später in anderen Formulierungen und kritisch weitergedacht bei #Goethe, #Kant, #Schelling bis #Bloch auftauchten . Die Naturbeobachtung von Wolken, Wasserströmungen, Sturm u.a. der Renaissance-Künstler ist die künstlerische Entsprechung. Nicht aus naturwissenschaftlichem, sondern ästhetischem Interesse füllte ich das letzte Drittel der Seite mit Abreibungen von Oberflächen und betonte dabei die besondere ,Zeichnung‘ dieser Oberflächen. Die Beschriftung mit „natürlich“, „heroisch“, „manufakturell“, „typographisch“, „destruktiv“ und „kalligraphisch“ spielt auf Schrift-Charaktere an.
Und wie gehts im 4.Kapitel weiter? Es ist ganz natürlich, dass man während des letzten Abschnitts an die Fortsetzung denkt. Das neue Kapitel könnte sich deutlich mit einem meiner „großen“ Themen beschäftigen: der künstlerischen Auseinandersetzung mit historischen Bildern und deren aktuellen Beziehungen. Mal sehen ob ich da etwas hinbekomme.

English Summary

„My Graphic Novel“ becomes more and more literally „my“ thing. Starting with a critical approach to a so-called „Graphic Novel“ based on Yuval Hararis ‚A Brief History of Mankind‘ my ‚novel‘ made my personal artistic problems to its real content. The last ‚chapter‘ performed in 3 steps graphic actions between picture and letters.