Wir sind Hölderlins Erben (art77blog Nr.219)

Jan Steen(1626-79) Verkommener Haushalt, ca 1668, National Gallery, London

Was Steen mit Hölderlin zu tun hat? Beide beschäftigen mich immer wieder. Diesmal stieß ich bei der Lektüre des Buches #„Hölderlin. Komm ins Offene, Freund!“ von #Rüdiger Safranski (München 2019) auf einen spannenden Gedanken. Der Autor zitiert aus der Vorrede zur vorletzten Fassung des Romans „#Hyperion“ eine Stelle, die mich zu der Überschrift gebracht hat. Und zwar stellt H. dort unser aller andauerndes Verlustgefühl, was unsere Sehnsucht nach Glück und Harmonie mit Natur, Welt und allen Menschen betrifft, fest. Und das muss so sein, damit wir ebenso andauernd danach streben können. H. räumt der Kunst (der Dichtung) eine zentrale Rolle zur Wiedergewinnung dieser Ureinheit ein. Denn eigentlich kann dies nur die #künstlerische Tätigkeit leisten. Sie ist der Schlüssel zur Schönheit, die als einzige unsere Sehnsüchte stillen kann.
Jan Steen hat für mich in diesem Sinn eine zentrale Rolle gespielt. Denn die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit diesem ‚Künstler-Kollegen‘ habe ich als eben solch einen Schlüssel zu Einheit und Schönheit erlebt. Und im Sinne Hölderlins wohlgemerkt nicht nur theoretisch, sondern eben auch durch das praktische ,Nachspüren‘ , das Arbeiten mit dem Material. Als ich 1984 den Vorschlag machte, sich durch einfaches Abzeichnen der Motive eines Bildes von Jan Steen dem Werk zu nähern, es sich anzueignen, war mir die mögliche Tragweite dieses schlichten Vorschlags nicht bewusst.
Es war auch eine andere Zeit. #Kunstgeschichtsforschung und #Ästhetische Erziehung hatten andere Probleme. Ich behaupte einmal, dass dies heute so verbreitete Gefühl der grundlegenden und unangenehmen Fremdheit damals so noch nicht existierte. Wir hatten uns unspektakulär aus der Vision einer radikalen Gesellschaftsänderung davon geschlichen. Sogar die Frage der# ästhetischen Bildung hatte ihre Schärfe verloren. Wir besannen uns auf das Eigene der Kunst zurück und welche bildenden Möglichkeiten diese bot. Noch zehn Jahre zuvor wäre mein freundlicher Vorschlag als „affirmativ“ zerrissen worden.
# Axel von Criegern: „Skizzieren als ikonologisches Training“. Zeitschrift für Kunstpädagogik 1/1984

Federzeichnungen des Verfassers (1984) zu dem „Verkommenen Haushalt“ Steens
Federzeichnungen des Verfassers

English Summary
The generation of Friedrich Hölderlin (born 1770), Betthoven , Hegel, Schelling a.o. was convinced that the arts should play an important part in creating a new human society. It was in the 1970ies when we were excited about social criticism and fought against any kind of cultura
l „affirmation“. Later then 1984 I dared to ask whether it would‘nt be better to learn from the arts than to battle them.

Zwischen den Jahren…(art77blog.axel-von-criegern.de Nr.218)

2020 looking back to 1969 ©️Axel von Criegern 2020

Moment mal: Du schreibst den Blog nicht um Deine Kunst bekannt zu machen und zu verkaufen, sondern??? Um die Alltägllichkeit von Kunst, also letztlich ihre Bedeutung für unser Leben (nicht nur meins) zu zeigen. M.E. gelingt das am besten wenn ich andere an unterschiedlichen „Kunstwerdungen“ teilnehmen lasse – indem ich Anlässe, Produktion, Änderungen, Arbeitsstufen zeige.
#Kunst als Kommunikation und Gegenstand von Erkenntnissen bekam für mich nicht erst 2016 Bedeutung, sondern begleiten mich seit über 60(!) Jahren. Das beinhaltet breit gefächerte Erfahrungen. Wes Geistes Kind ich bin zeigt ein Blick auf die Jahre 1965-1675, als ich nach abgeschlossenem Kunststudium der Sache Kunst wissenschaftlich auf den Grund ging und am Ende der Arbeit an meiner Dissertation über #Jan Steen(1626-79) von der Keule #„Visuelle Kommunikation“ getroffen wurde. Und das sass nachhaltig ! Dieser Cocktail aus Kunsterfahrung, Kunstwissenschaft und Gesellschaftskritik blieb bis heute wirksam. Und die Erfüllung, die ich daraus erfahren habe, möchte ich weiter geben und zwar ohne berufliches „Muss“, eher beiläufig und alltäglich. Mein einziger „kategorischer Imperativ“ (Kant) ist das wöchentliche Erscheinen des Posts (freitags).
English Summary
My art- life is determined by art school, studies in art history and social criticism. Very important were the „visual communication“ and 40 years of teaching art. After all „art77blog“ stands for free and independent art practice and reflections.

#Kunst als Kommunikation
# Jan Steen (1626-79)
# „Visuelle Kominikation“

„Bitte lächeln“ (art77blog.axel-von-criegern.de Nr 2017) bis heute

English Summary

How tell a drawing of Raffael („terrae moto“, earth quake) to smile?! I liked the tension in his trunk and arms, but it is much to aggressive for my idea of an powerful optimist. So first I made him hold his head upright and smile. Then I tried to let him step forward. Not so easy. As you can see it’s more a hopping than walking. But I hope that this guy, once dressed will be the optimistic dynamic power man 2020!!

Gebet, Sieg, Drohung(art77blog.axel-von-criegern.de.Nr.216)

„Power 2020“, Bleistift,Grafit, ©️Axel von Criegern 2019.

Gerade bin ich noch an einer vorweihnachtlichen Aufgabe einen Mann zu entwerfen, der Stärke verkörpert. Klar, dass die Botschaft vor allem vom Oberkörper ausgehen muss. Ich stolperte über eine Vielzahl von Bedeutungen, die sich mit den erhobenen Armen verbinden. Eine dieser „Archetypen“ ist die betende Figur, der „Orant“, der frühen Religionen. Heute steht diese Haltung für Flehen, Verzweiflung, Trauer, Begeisterung. Ebenfalls früh kommen schon die erhobenen Arme der „Victoria“ vor, die wir heute noch vom Boxsport und Laufwettbewerben kennen. Aus der griechischen Mythologie kennen wir den „Atlas“, der die Erdkugel auf seinen Schultern stemmt. Aktuell sind natürlich die „Bodybuilder“ zu nennen, bei denen in dieser Pose die Arm-und Brustmuskeln besonders eindrucksvoll zur Geltung kommen. Für meine Arbeit fand ich bei #Raffael eine Personifikation des „Erdbebens“, die sowohl die Kraftanstrengung, als auch die Vorwärtsbewegung miteinander verband, die mir vorschwebte. Als nächstes gilt es das Ganze in eine #„Reinzeichnung“ zu übersetzen. Auch ein „Kraftakt“, bei dem es allerdings weniger um Körperkräfte als um genaue Vorstellungen und Konzentration geht. Fröhliche Weihnachten!

# Pietro Santi Bartoli( 1635- 1700) Radierung nach Raffael „terrae motus“ aus: Corinna Höper u.a. Raffael und die Folgen, Stuttgart 2001; Abb.121.

English Summary
Designing an allegorical figure that stands for power and strength I chose a male with uplifted arms. I remembered a lot of representations of pity, praying, victory and last but not least the bodybuilders. Paging through a volume with etchings after Raffael I found a design of a man who pushed and moved a whole mountain with arms and shoulders. It was the figural presentation of an earthquake.Now I was sure to have chosen the right way. I wish you a Merry Christmas!




Der Kunst-Idiot(art77blog.axel-von-criegern. Nr 214)

Skizze zu einem „Xylo-phon“; Bleistift, Weißhöhung, ©️Axel von Criegern,2019

Diese Zeichnung entstand nach einer Gesprächsrunde wegen einer Ausstellung mit Künstler*innen, einer Kuratorin und einer Volontärin. Es gab mehrere offene Fragen: sollten wir uns mit dem Treppenaufgang des Museums bescheiden? Sollten wir mit unserer erkennbar marginalen Rolle neben der von der Volontärin geplanten Hauptausstellung „Inside-Outside“ zufrieden geben? Die etwas mühsamen Versuche der Kuratorin die Möglichkeiten schön zu reden, verstärkten das ungute Gefühl der Künstlergruppe.
Das nahm ich zwar auch alles wahr, war aber keineswegs unzufrieden.
Während meiner eben zu Ende gegangenen Ausstellung #„Wie geht Kunst?“ hatte ich wegen meiner Holzskulpturen viel Zuspruch bekommen. Ohne Zweifel waren sie mir dadurch wieder näher gerückt. Ich hatte Lust daran, wahrscheinlich in kleineren Formaten weiter zu machen. Das Thema „Inside-Outside“, brachte mich zu meinem Dauerbrenner für das Plastische zurück- der Innen- und Aussenplastik, frei nach Henry Moore.


„Inside-Outside“, Apfel 1972,©️Axel von Criegern 2019 (Foto: T.G.de Maddalena, Tübingen)

Die gewiss nicht einladende Vorstellung einer Ausstellung im Treppenhaus stieß bei mir Phantasien von beweglichen Skulpturen-Vorhängen an. Das Stichwort „mit allen Sinnen erfahren“ löste bei mir die Vorstellung eines neuen Modells von „Xylo-phon“ aus, da jedes Stück Holz ja anders klingt und sogar die unterschiedlichen Holzfarben könnte ich mit einbeziehen.
Sofort nach Verlassen des Museums machte sich bei allen der Unmut Luft- bei mir allerdings nur halbherzig, hatte ich doch tolle Anregungen zur Bewältigung des Nach-Ausstellungs-Tiefs bekommen. Irgendwie fühlte ich mich wie ein „Idiot“, was im Altgriechischen einen Privatmann bezeichnet. Jemand, der sich öffentlichen Aufgaben entzieht. In meinem privaten Glück war ich eindeutig ein # „Kunst-Idiot“! Aber natürlich werde ich am nächsten Treffen, bei dem Voraussetzungen und Bedingungen unsererseits besprochen werden sollen, teilnehmen!

English Summary
We had a meeting with some Museums-People which endet for us arists horrible. Leaving the building everybody complained- except me! There had been terrible offers like a show in the staircase and references to the major Museums-Exhibition „Inside-Outside“. Certainly disappointing, but in a strange way inspiring for me. After the shortly before endet one man-show „Wie geht Kunst?“ I wanted to go on with wood sculpturing. Why not try small scale wooden objects in flexible arrangements for the staircase, why not continue my way researching „Inside“ and „outside“ of sculptures and why not inventing a new type of „Xylo-phone“? I felt a little bit like an idiot, a person in old Athens that didn’t care for public affairs, you know? So to say an art-idiot.


#Kunst-Idiot, #“Wie geht Kunst?“

Animieren in Zeiten der Über-Animation(art77blog.axel-von-Criegern Nr.213)

Lost in animation“. Aluminium,Acryl-Stifte, 21×14 cm. ©️Axel von Criegern,2019

Animieren heißt etwas “beseelen“, heute aber auch zu etwas anregen („Animierdame“). In meiner eben zu Ende gegangenen Ausstellung „Wie geht Kunst?“ ist mir das unangenehm aufgestoßen. Die Haltung vieler Besucher habe ich als Spaß- und Konsum-orientiert interpretiert. Nur wenige Menschen waren erkennbar bereit sich auf Kunst einzulassen. Vielleicht auch in einer Jahreszeit zu viel verlangt, in der es überall aufreizend blinkt und jault. Also: wie kann man als Künstler gegen die Überanimation steuern, ohne „aus der Zeit zu fallen?“ Im Falle der kleinen Blechfigur, die ich gerade fertiggestellt habe, wollte ich eine meiner Kunst-Methoden (vergl. Art77blog, Nr. 121, Februar 2018) beleben und animieren. Das Raster mit seinen bunten Zeichen greift in den Raum und wird zum Schluss noch auf einem Plattenspieler gedreht und von einem gesprochenen Text begleitet (s. Instagram Axel von Criegern). Nicht nur hier ist es mir dabei wichtig, dass die Präsentation nicht die Substanz überformt und den Betrachter „platt macht“, sondern die Wahrnehmung anregt um sich dem zu nähern,was Kunst vermitteln kann.

English Summary
Walking through a shopping mall I realized that right now before Christmas season there is a hell of blinking and screaming – and why, what for? To distract from the miserable, cheap toys and decoration stuff. As artists we need ways of presentation- in our own work, art shows, journals. One of my „Leitideen“ is to move my art, „animate“ it in one or the other way. That hasn“t to be perfect, but decent just so far to catch an eye.


# art77blog.axel-von-Criegern: „Wie geht Kunst?“ edition cantz,2019( with engl. subtitles)
# „Wie geht Kunst?“ 5 Videos der Ausstellung Oktober/November 2019 in Tübingen in Youtube Axel von Criegern/art77blog
# 5 Kurzvideos auf Instagram (Axel von Criegern)“Wie geht Kunst?“