Geordnet hinterlassen—wem, was, wie?

Komisches Monster“ 2022, Mixed Media. Links Original, 

rechts Schatten einer mit der Hand gehaltenen Plastik-Spitze.©️voncriegern 2022

Irgendwann machen sich Künstlerinnen und Künstler Gedanken,  was mit ihren Arbeiten in ihrem zweiten Leben geschen wird und was sie aktuell dazu beitragen können.

Meine Fragen führten rasch zu einer Antwort, die zwar Ordnung garantiert, die man als Produzierende aber nicht leisten kann: ein #Werkverzeichnis. Selbst wenn man jeden Schnipsel aufhebt und schriftlich dokumentiert, ergibt das kein Werkverzeichnis! Wir können zwar mitwirken, aber das eigentliche, für Außenstehende gedachte Verzeichnis konzipieren und erstellen andere. Man geht davon aus, dass nur sie das erforderliche Urteilsvermögen und das Wissen über das System Werkverzeichnis haben. Wenn es stimmt, daß im Allgemeinen nur 10% der Produktion in ein WV aufgenommen werden, kann man sich das vorstellen. Wie schwierig das heute ist, zeigt das kleine Spiel, das ich mit der Zeichnung ganz oben gemacht habe. Das Original ist das klassische und grundsätzlich geeignete Objekt für ein WV. Wie gesagt, darüber kann und soll ich nicht entscheiden, Aber wie sieht es mit den Varianten aus? Sie existieren nur als digitale Fotos, nicht als Materie (das zweite Foto).

Persönlich sehe ich mich noch in einer Sackgasse, habe ich doch selbst Kunstgeschichte studiert, um letztlich auch eine gewisse Urteilskraft und Kompetenz zu haben. Das ist sicher nicht falsch gewesen, aber einem oben beschriebenen Werkverzeichnis nicht dienlich.

Meine Bücher und Kataloge sind hilfreiches Material. In ihnen habe ich die laufende Produkt gesammelt und geordnet. Sie ersetzen aber ein WV  auf keinen Fall. Sie ordnen, aber höchst subjektiv.

Mein Fazit ist dennoch optimistisch. Ohne daß ich eine Verwirklichungsvorstellung hätte, werde ich mit meiner zukünftigen Produktion bei aller Verspieltheit so etwas wie Verantwortung für eine „höhere“ Ordnung übernehmen. Das müsste eigentlich auch das Ver- und Wegwerfen beinhalten, aber damit tue ich mich im Moment noch sehr schwer!

#Die Suchwörter „Werkverzeichnis, künstlerisches Werkverzeichnis“ führen  zu der aktuellen Diskussion (u.a. auch auf YouTube.)

Zwei Stufen zeichnen sich ab (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 372)

Nur zur Erinnerung: Letzten Freitag habe ich von meiner „Loch-Methode“ berichtet. Wenn eine Struktur, hier im Falle einer Kleinplastik, langweilig zu werden droht, mache ich einen Schritt ins Unbekannte und bohre Löcher „auf Teufel komm´raus“  in das Holz. In der vergangenen Woche versuchte ich die Löcher mit den schon geschnitzten Details zu verbinden.

Eine von den Löchern unabhängige Herausforderung ist die vorgegebene Keil-Form des Stücks Buchsbaum. Ein Formenwechsel in diesem Keil musste also rundum gedacht werden. Ich entwickelte im unteren Teil grössere Formen, die eine Art Basis der kleinteiligen, oberen Strukturen zu bilden versprachen. Das funktionierte nur, wenn ich die oberen Formen zurückdrängte und die unteren stärker plastisch herausarbeiten würde.

Angesichts der Verjüngung des oberen Teils war mir und ist mir immer noch, unklar welche größere Form diese Partie bekommen kann. Wenn es bei angedeuteten Figuren bliebe-sollten dann die Figuren auf eine dünne Schicht zurückweichen?  Wie sähe diese Schicht bei der keilförmigen Verjüngung aus?  Und generell _wie kann das Zurückweichen des oberen Teils von der Basis angesichts der senkrechten anderen Seite klappen?

Fragen über Fragen. Aber die sorgen für die kreative Spannung! Also auf gehts!

#art77blog Nr. 37

Just a reminder: Last Friday I reported on my „hole method“. If a structure, in this case a small sculpture, threatens to become boring, I take a step into the unknown and drill holes „whatever the hell“ into the wood. For the past week I’ve been trying to connect the holes to the details I’ve already carved.

A challenge unrelated to the holes is the given wedge shape of the piece of boxwood. A change of shape in this wedge had to be thought through all over the place. In the lower part, I developed larger forms that promised to form a kind of basis for the small, upper structures. This only worked if I pushed back the upper forms and worked out the lower ones more vividly.

In view of the tapering of the upper part, I was and still am unclear as to what larger form this section can have. If only implied figures were to remain, should the figures recede to a thin layer? What would this layer look like in the wedge-shaped taper? And in general _how can the retraction of the upper part from the base work in view of the vertical other side?

questions upon questions. But they provide the creative tension! So let’s go!

#art77blog #371

#art77blog Nr. 371

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Löcher bohren beim Holzschnitzen(art77blog.axel-von-criegern.de Nr. 371)

Buchsbaum H. 9,5 cm, B 5,5cm, Stärke 7,0 cm (in progress)

Löcher bohrt man entweder funktional oder aus Versehen. Bei mir entwickelt sich so etwas wie eine Loch-Methode. In dem Moment, wo ich spüre, das die weitere Arbeit zu gleichförmig wird, setze ich in einiger Entfernung ein Loch. Ich nehme an, dass sich zwischen der Stelle, an der ich gerade schnitze und dem Loch eine Spannung aufbaut, die sich auf die ganze Arbeit überträgt. In dem Moment gehört das Loch noch nicht zur Arbeit, sondern fordert mich dazu auf, es zu integrieren. Auf dem linken Foto habe ich mit blauem Stift die Richtung größter Spannung aufgezeichnet. Der rote Pfeil auf dem rechten Bild zeigt die Hauptachse des Weiterschnitzens an. Das Grün markiert mögliche neue Form-Entwicklungen in diesem Spannungsfeld. Ich dokumentierte die weitere Entwicklung und berichte nächsten Freitag.

# art77blog. Nr. 349

#art77blog.axel-von-criegern: Wie geht Kunst? edition cantz, 2019

Learning from the small ones (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr. 370)

Fotos copyright voncriegern 2022

At a first look those two pictures show the same sculpture. But there is a huge difference of scales. The left one measures about 15 cm and the right one is about 70 cm. What was more interesting for me is that a lot of things I practised when carving the smaller one from the very hard boxwood  influenced my work with the larger sculpture. And that happened completely unconscious. The smaller one was by no means a model for the taller one. The major impact came from having an all around view and feeling the dependency and complexity of every single item for the whole one.Sounds like an election speech, but it is simply art.

#art77blog Nr. 366.

Mein Konzept ist didaktisch! (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.369)

Danke! Ich fühl mich wie neu geboren!!!

Anmerkungen zu einer Didaktik des schöpferischen Moments

Kurzrezension zum Buch von Axel von Criegern:

art77blog.axel-von-criegern: Wie geht Kunst? Esslingen 2019

 

Axel von Criegern, emeritierter Kunsthistoriker, Kunstpädagoge und seit frühem Jugendalter auch Künstler, veröffentlicht seit 2016 regelmäßig in einem eigenen Blog Produkte seines künstlerischen Schaffens, begleitet durch schriftliche Kommentare, die das jeweilige Kunstwerk erläutern und begründen sowie öfters auch in einen biographischen oder kunstgeschichtlichen Kontext stellen. Als Erziehungswissenschaftler und Schulpädagoge kann ich nur wenig zu den künstlerischen Dimensionen seines Schaffens selbst sagen – hierzu fehlt mir die fachliche Expertise -, ich versuche vielmehr, das didaktische Konzept zu beschreiben, das diesem Blog zugrunde liegt und das auch deshalb in verdichteter Weise zum Tragen kommt, weil die Einträge in den Blog „art77bloig.axel-von-criegern“ in einem Buch zusammengestellt sind, das die Vielfalt der unterschiedlichen Bilder, Graphiken, Skizzen und Photographien aus den Jahren 2016 bis 2019 aufnimmt.

Schon der Titel verrät die didaktische Absicht. Die Frage „Wie geht Kunst?“ und die im Buch enthaltenen Antworten auf diese Frage könnte die didaktische Absicht klassischer gar nicht zum Ausdruck bringen: Der Lehrer belehrt seinen Schüler, der Professor den Studenten, der Meister den Lehrling, der Profi den Laien. Dabei ist die Frage alles andere als trivial, berührt sie doch den Kern künstlerischer Aktivität, unabhängig und noch vor allen Antworten, die die Kunstgeschichte bereithält. Diese setzt sich eher mit der Frage auseinander: Was ist Kunst? Oder: Was ist ein Bild? DieFrage „Wie geht Kunst?“ verweist auf die anthropologische Tatsache, dass der Mensch in der Lage ist, seine Kultur selbst hervorzubringen und sich in der Kunst ein Medium zu errichten, um sich in einer ästhetischen Sprache auszudrücken und darin seine Erfahrung zu reflektieren und zu überschreiten. Axel von Criegern zeigt dies am Beispiel eigener Werke auf, die er – und dies ist wiederum ein eher klassisches didaktisches Element – in Texten erläutert und kommentiert. Die Begriffe helfen dem Leser, die jeweiligen Kunstwerke zu verstehen, wobei jeweils unterschiedliche Bezugsfelder herangezogen werden, seien sie biographisch, kunsthistorisch, gesellschaftlich-sozial oder auch im engeren Sinne kunstpraktisch orientiert. Auch die zugeordneten Überschriften setzen didaktische Akzente, indem sie dem Leser gleichsam eine Brille aufsetzen, durch die das jeweilige Kunstwerk betrachtet und gleichsam „gelesen“, also verstanden und eingeordnet werden soll.

Was jedoch schnell auffällt ist, dass die einzelnen Doppelseiten (links der Text, rechts die Abbildung) jeweils eine abgeschlossene Einheit zu sein scheinen. Dem Blog wie auch dem Buch liegt kein strenger systematischer Aufbau zugrunde, der dem Leser bzw. dem Schüler den Weg weist, wie er selbst zur künstlerischen Professionalität kommen kann und dann am Ende weiß, wie Kunst wirklich geht. Axel von Criegern nimmt den Leser nicht an die Hand, um mit ihm ein vorab festgelegtes Ziel anzusteuern. Es ist kein streng methodisch-systematisch und linear ausgerichteter Weg, der Schritt für Schritt, möglicherweise vom Einfachen zum Schwierigen, vom Laienhaften zum Virtuosen, vom Schlichten zum Genialen durchgestaltet wäre. Der Aufbau eines Buches, das sequentiell von Seite zu Seite, von einem Anfang bis zum Ende eine solche Linearität nahelegt oder unterschwellig aufdrängt, könnte eine solche lehrgangsähnliche Struktur begünstigen oder auch unterstellen. Eine solche Struktur liegt jedoch nicht vor. Insofern könnte man das Buch auch von hinten nach vorn durcharbeiten, man könnte an einzelnen Doppelseiten hängen bleiben, vor- und zurückblättern,es in der Mitte aufschlagen, sozusagen durch das Buch flanieren, sich treiben lassen und sich in einzelne Kunstwerke und ihre Erläuterung vertiefen. Nur an wenigen Stellen wird auf andere Seiten verwiesen, um einen Zusammenhang zu verdeutlichen.

Dennoch wäre es falsch, die nicht-lineare Struktur des Aufbaus als beliebiges und zufälliges Konglomerat eines künstlerischen Einfallsreichtums zu begreifen. Die nicht-lineare Struktur ist durch den Prozess des künstlerischen Schaffens selbst, ist also von der Sache her begründet. Kunst lässt sich nicht in einem geschlossenen Konzept lehren, das einem erfolgsversprechenden Programm gleicht, um am Ende den kompetenten Künstler als Output hervorzubringen. Axel von Criegerns Didaktik zeigt sich vielmehr darin, dass er an eigenen Werken exemplarisch aufzeigt, wie er selbst den Prozess des künstlerischen Schaffens versteht und auch praktiziert. Und dies gelingt ihm auf authentische, sympathische und überzeugende Weise. Dieser Prozess ist kein linear und stetig ausgewiesener Weg, der als Technik der Realisierung und Umsetzung eines vorab fertigen Plans beschritten und ausgeführt werden könnte. Er ist vielmehr ein diskontinuierlicher Weg, der von der Intensität einer gelebten Gegenwart, von der aufmerksamen Wahrnehmung günstiger Gelegenheiten, von der Bereitschaft, sich auf spontane Ideen einzulassen, lebt. Der künstlerische Prozess benötigt das Wechselspiel vom Suchen und Finden, von der flüchtigen Idee und dem spielerischen Erproben ästhetischer Wirkungen. Diskontinuität erweist sich im Ereignen schöpferischer Momente, die vielleicht vorbereitet und angebahnt, nicht aber erzwungen werden können.

Bisweilen kann die Leichtigkeit des Spiels, die die Kunstwerke Axel von Criegerns kennzeichnen, auch umschlagen in ein hartnäckiges Ausarbeiten einer Idee, aber nur selten ist die Anstrengung und Mühe den Ergebnissen selbst anzusehen, am ehesten vielleicht noch in der Bearbeitung widerständiger Materialien wie Holz oder Blech. Aber auch in solchen Werken spiegelt sich der künstlerische Prozess als Mischung aus Phantasie und Plan, von Versuch und Irrtum, von Weichenstellungen, die die ursprüngliche Idee abwandeln und einen neuen Weg in den Blick nehmen. Axel von Criegern spricht selbst vom „Wechselspiel von Regelhaftigkeit und Spiel“ (S. 94), vom Fixieren und in der Schwebe halten, vom Einrahmen und Überschreiten, vom Verschwinden und Erscheinen, von Freiheit und Struktur, so dass man den nstlerischen Prozess geradezu als Entfaltung von Gegensätzen und dialektischen Spannungsfeldern beschreiben könnte. Dies erfolgt jedoch nicht in einem sprachlich-begrifflichen, sondern in einem ästhetischen Diskurs, der der begrifflichen Welt des Sprechens und Schreibens eine eher nachgeordnete Dienstleistungsfunktion zuweist.

In den Kunstwerken des Blogs zeigt sich eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit in den ästhetischen Sprachen des Bildes und der Skulptur. Manchmal ist darin die Realität fast mit den Händen zu greifen – wie beispielsweise in den Comics, die Geschichten erzählen –, oft bleiben aber die Bezüge zur Realität eher indirekt oder auch abstrakt und sind nicht auf erkennbare biographische oder literarische Situationen bezogen. Das Spiel mit Formen und Farben, mit Linien und Flächen, mit Symbolen und Kontrastenusw. lehrt eine Vielfalt von Sprachen der Kunst, diejeweils am Beispiel den Prozess des künstlerischen Schaffens offenlegt.

Und doch bleibt es immer auch ein Geheimnis, woher die Ideen und Einfälle, das handwerkliche Können und die individuelle Handschrift künstlerischen Produzierens eigentlich kommen. Es zählt zu den faszinierenden Rätseln des Kunstschaffens, dass die Anfangsgründe und Ausprägungen künstlerischen Ausdrucks oft nur wenige Einblicke in die Innenseite ermöglichen, Einblicke, die deshalb auch nur begrenzt didaktisch ausgestaltet und schon gar nicht beherrschbar gemacht werden können. Die Antwort auf die Frage, wie Kunst geht, wird deshalb wohl nie abschließend beantwortet werden können. Auch Axel von Criegerns „heilige Angst vor allzu ausgearbeiteten Dingen“ (S. 72) ist als Plädoyer gegen eine Didaktik zu verstehen, die in ihrer Geschichte allzu oft den Gefährdungen einer scholastischen Verengung und der Verkürzung auf die Vorgabe von Rezepten verfallen ist.

Prof. Dr. Ludwig Duncker

Justus- Liebig- Universität Gießen

Die Winzlinge/ the tiny ones (art77blog.axel-von-criegern. Nr.368)

Die Winzlinge, the tiny ones (art77blog.axel-von-criegern.de Nr. 368)

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Miniatur-Schnitzerei (in Progress) Sandelholz ©️voncriegern2022

Das winzig-kleine übt auf den Menschen eine enorme Anziehungskraft aus. Zwerge wurden an den Höfen als Narren gehalten ((#Velasquez, Las Meninas;),waren beliebte Märchenfiguren (#Der Däumling, #Gullivers Reisen, #Alice im Wunderland), sorgen heute noch in Zirkus und Varieté für Unterhaltung) und sind Gegenstand zahlloser Kinderbücher (#Axel von Criegern, Tatort Tübingen. Die Abenteuer des Wachtmeister Glotz, Tübingen, Osiander Verlag, 1987). Jung- und  Kleintiere lösen beim Menschen ebenso wie bei Tieren selbst Brutverhaltens- Reflexe  aus.

Ein Stück Sandelholz, das ich von meinem Freund und Bogenbauer Michele Facchino bekam, verlockte mich zur Mini-Skulptur. Auch hier bin ich nicht der erste. Man denke nur an die japanischen #Netsuke, Elfenbeinschnitzereien und Schachfiguren. Für die Praktiker ist die Arbeit ohne speziellen Arbeitsplatz und Werkzeuge höchst attraktiv. Das kann man beim Warten im Auto oder neben dem abendlichen Fernsehen machen. Viel Spass!

Entfesseltes Theater(art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.367)

Eine schöne Überraschung bei einem Abendspaziergang! Auf dem dunklen Platz am Haagtor in Tübingen leuchtet eine Bude magisch. Ich nähere mich entspannt und gespannt von hinten einer Gruppe von Menschen, die davor sitzen und stehen. In einem geöffneten Imbisswagen „geht die Post ab“. In einem silbern blitzenden Küchen-Labor brüllen, kreischen, hauen und balgen sich zwei wild kostümierte Spielerinnen nach Art des Kasperltheaters. Zuschauer mischten sich ein und wurden in das Spiel mit einbezogen. Die Akteurinnen tauchten hinter der Theke ab und in neuen Kostümen wieder auf, entwickelten ein Feuerwerk an Flüstern, Raunen, Gebrüll, Gesang , Mimik, Akrobatik. Wie beim guten Straßentheater schien der Inhalt dahinter zurückzustehen. Aber das war wohl zu schnell geurteilt. Die dramatischen, burlesken Szenen entwickelten sich um das ewige Thema des Geschlechterkampfes, beginnend mit Zeus und Hera bis zum Testeron-Getöse eines Donald Trump. Ich meinte in den rasch wechselnden Passagen Elemente des Kasperltheaters, der Commedia dell‘ arte, Jahrmarkts-Bühnen, von Molieres Schelmenstücken, bis zum Straßentheater Dario Fo‘s zu erkennen. Man genießt die Überschreitung aller Konventionen, die Entfesselung des Klamauks, das ‚Ordinäre‘. Leider war das die letzte Aufführung!!! Lächelnd und beschwingt ging ich nach Hause und verzichtete sogar auf die Theatersuppe. Wo ich doch ein echter Suppen-Kaspar bin!

“Pandoras Kitchen oder was ist wirklich in der Büchse?“ Das Thema ist wohl von einer Gruppe um Anja Müller, die auch für Ausstattung, Kostüme und Bühnenbild verantwortlich zeichnet, entwickelt worden. Gespielt haben Elke Falk (Stuttgart) und Helen Schumann(Berlin) Www.figurenkombinat.net

Mir war bisher beim Thema „Figurentheater“ in Tübingen nur der seit Jahrzehnten erfolgreiche Frank Söhnle bekannt. Jetzt bilde sich um Anja Müller offensichtlich ein neuer, junger  Cluster. A la bonne heure!

„Ich will das doch gar nicht ordnen!!!“ (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.366)

Mobile Fischräucherei.   Donatello (1386-1466) „Spiritelli“.

Leila Hekmat (geb. 1981 in Los Angeles) „Female Remedy“

Ich will das doch gar nicht ordnen!!!“(AvC)

Das habe ich heute früh, an unserem 4. Berlin-Tag, zu einer Skizze notiert. Diese Notiz ist mein ´Friedensangebot an Berlin: Geburtsort eines Neu-Schwaben. Natürlich war ich in den 83 Lebensjahren wiederholt beruflich in Berlin, das erste Mal 1971, als ich zum „Vorsingen“  an der HdK eingeladen war. Es war auch das erste Mal dass ich „in die Luft ging“. Unvergessen der Landeanflug über graue Mietskasernen, so nah über Dächern, dass man in die Zimmer sehen konnte.

Die  Notiz entstand in einem völlig anderen Berlin: Sonnig hell, quirlendes Leben, eine unglaubliche kulturelle Mischung, Weltstadt. Hier lebt eine Tochter mit ihrem Mann und eines der Enkelkinder. Also wieder in neuem Sinne „home“. A propos englisch. Das ist wohl die verbindliche Sprache in Berlin. Für einen alten Mann bewegen sich die meisten Menschen hier in einem schwer näher zu bestimmenden „jungendlichen“ Alter zwischen 18 und 70 Jahren.

Ich verstehe mich als Menschenfreund und muss mich sozial orientieren. Und das fiel mir in den vergangenen Tagen schwer. Die Leute passten nicht in meine Raster. Ich fühlte mich fremd. Natürlich war die sehr interessant konzipierte und umgesetzte Donatello-Ausstellung mit dem aufdringlich-dreisten Titel: „Donatello. Erfinder der Renaissance“ extra Klasse. Das gilt letztlich auch für den Ausflug zum „Haus am Waldsee“ mit einer Installation der in LA geborenen Künstlerin Leila Hekmat „Female Remedy“ über drei Stockwerke. Natürlich war das Gewimmel von Leuten, die sich in dem größenwahnsinnigen Regierungsviertel verloren und natürlich auch die heimeligen Abende in netten Kneipen mit Familie und gut gelaunten Leuten „normal“, aber zusammen bekam ich das alles nicht auf die Reihe. Bis eben der Groschen fiel und ich akzeptierte, dass es eben so ist und ich nicht isoliert werden sollte, sondern dass ich weder einen Anspruch noch die Möglichkeiten habe, dieses „soziale Gebilde Berlin“ zu ‚ordnen‘. Seitdem fühle ich mich wohl- und offensichtlich verlangt niemand von mir etwas, als eben dieses!

Donatello. Erfinder der Renaissance.“2.9.2002 bis 8.1.2023 Gemäldegalerie Kulturforum, Berlin.

Leila Hekmat: „Female Remedy“.15.09.22 bis 08.01.23  „Haus am „Waldsee“, Berlin

Atlas stöhnt (art77blog.axel-von-criegern.de Nr.365)

Ut

Im Sperrmüll fand ich diesen ramponierten Schulglobus. Ich grundierte ihn weiß und  bemalte ihn mit ´meineń Zeichen. DasErgebnis war merkwürdig. #Trompetenfuß, Meridianring, Drehung um eine schräg gestellte Achse wiesen den #Globus aus. Zu den Zeichen und Farbfeldern auf weißem Grund mit ihrer tendenziellen Erzählstruktur, gab es keine Beziehung.

Bei den anschließenden Überlegungen zur Präsentation dieses Objektes stieß ich auf die Möglichkeit des Bewegtbildes und meine spärlichen Erfahrungen mit Filmchen, die ich auf #YouTube gestellt habe (Mein YouTube Kanal ist Axel von Criegern).  Bei einem ersten Versuch Rotation mit Hilfe eines alten Plattenspielers fiel mir auf, daß die Kugel am Meridianring hängenblieb. Der Grund waren aufgeklebte grobe Leinwandstücke. Als mir das klar war, hielt ich die Kugel so schräg zum Meridianring, daß sie sich flüssig drehen konnte. Sie hing praktisch in diesem Metallring. Aber wie konnte ich das Objekt in dieser Einstellung fixieren? Ich bohrte zwei Schrauben durch den hölzernen Fuß und befestigte das Ganze an der Wand. Der Globus stand senkrecht von der Wand ab. Allerdings nicht für lange Zeit. Als ich mich umdrehte um nach meinem iPhone zu greifen,  krachte meine Installation mit einem mörderischen Knall auf den Steinboden. Der Teller des Fußes brach dabei ab. Ich gab nicht auf. Eine Konstruktion mit dünnen Draht im Türrahmen- ohne Fuß- erwies sich als zu  zu wacklig.

In meiner Ratlosigkeit hielt ich den Stiel mit einer Hand und das iPhone mit der anderen. Aber frei am Stiel gehalten, wird so ein Globus allmählich schwer und schwerer. Langsam wurden Hand und Arm müde und zogen nach unten. Auf dem Video ist mein Ächzen und Stöhnen zusammen mit Rossinis Barbier von Sevilla deutlich zu hören. Bei meinen Vorarbeiten war ich über das Stichwort „Globus“ zum Griechischen Mythos vom „Atlas“ gestoßen. Seinen Namen tragen Kartensammlungen zu unterschiedlichen Themen. In erster Linie geografische ,aber auch historische politische, klimatische, wirtschaftliche und viele andere Atlanten. Atlas gehörte zur Gruppe der Titanen, die von neuen Göttern, die unter Führung von Zeus auf dem Berg Olymp wohnten, besiegt und bitter bestraft und letztlich ausgerottet wurde. Atlas hatte noch „Glück“, weil er zum Tragen des Himmelszeltes ganz am westlichen Ende der damals vorstellbaren Welt verurteilt wurde. Bekannt wurde er durch den unehelichen Sohn des Göttervaters Zeus, Herakles oder Herkules. Von der Gattin des Zeus, Hera, wurden ihm wirklich schwere, kaum lösbare Aufgaben gestellt. Eine war, die berühmten goldenen Äpfel der Hesperiden zu rauben. Die Hesperiden waren Töchter des Atlas, die er samt goldenen Äpfeln bewachte. Herakles trickst Atlas aus indem er ihm anbietet, die Weltkugel, so wurde das Himmelsgewölbe schon in der Antike dargestellt, zu tragen, wenn dieser ihm die goldenen Äpfel besorge. Atlas willigt ein und bringt ihm die Äpfel. Der listige Herkules bittet ihn noch einmal kurz die Kugel zu halten, weil er sich ein Tuch als Polster für die Schulter holen müsse.  Und natürlich schnappt der sich die Äpfel und verschwindet. Ich kann mir Frustration, Wut und Zähneknirschen des Titanen vorstellen. Er hatte gehofft diese erbärmliche Last loszuwerden und zudem entsetzt über den Zustand dieser Welt, die er unberührt übernommen hatte. Jetzt war es eine Müllhalde voller Plastikabfälle, die vollends zu veröden drohte.

IMG_0250Tut mir leid! Obwohl ich mein Video auf 7,8 MB komprimiert habe, wird es nicht „offen“ gezeigt!!  I am so sorry, but I did compress my video to 7,8 MB. But still the program doesn´t show it.

Die Welt im Kopf (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.364)

Es war mein erster großer Illustrations-Auftrag. Der Tübinger Autor #Rolf Vollmann hatte die Weltreise von #Charles Darwin mit modernen Verkehrsmitteln wiederholt und eine Menge erlebt. Ich fühlte mich herausgefordert aus seinen Erzählungen für Kinder „wirkliche“ Bilder zu machen. Der Flug der aufgehenden Sonne entgegen schien zeitlos zu verlaufen. Die Vorstellung machte ich mir selbst anhand eines Globus anschaulich. Das geriet deutlich nüchterner und aufgeklärter als die witzigen Details mit denen der Autor die Kinder unterhielt.Als er sich in nTahiti angekommen völlig übermüdet ins Bett legt, heißt es: „Dann bin ich wieder ins Bett gegangen, wieder aufgestanden, dann war gestern.“  (S. 74) Da kann kein Bild mithalten! Bei einigen Stellen konnte ich den Erzähl-Duktus des Autors und seine Beschreibung etwa zu den Sternbildern in einer Denkblase aufnehmen. Die doppelseitige Erd-Karte ist eine „barocke“ Darstellung, die selbst schon mit den vier Winden in den Ecken dramatisch wirkt. Ich dachte, es könnte für Kinder hilfreich sein, den Verlauf der Reise auf einer solchen Karte nachzuvollziehen. Es gab innerhalb der 120 Federzeichnungen zahlreiche Varianten des Verhältnisses von Text zum Bild. Meine Vorstellung war insgesamt eine parallele Bildwelt zu schaffen, die ihre eigne Spannungskurve hat. Wahrscheinlich berührten mich die Punkte, an denen ich mich selbst gefordert sah, sei es die Vorstellung der Menschen vom Himmel und den Gestirnen bereits in der frühen Menschheitsgeschichte, die sich wandelnden Bilder der Form der Erde, später dann die Erde als Kugel und noch später die Bewegungen der Erde um die Sonne. Dazu gehören die Verbreitung derMenschen auf der Erde und das Phänomen Zeit und deren Messung. Für mich war es aber auch reizvoll für bestimmte Situationen, Erlebnisse und Stimmungen Bildentsprechungen zu finden.

Noch ein Rat an alle, die Illustrator(inn)en werden wollen: die Honorare stehen in der Regel zum Engagement und Zeitaufwand in keinem Verhältnis. Es gilt verbindliche Verlags-Verträge auszuhandeln, die eine angemessene Pauschale oder Preis der einzelnen Illustration beinhalten. Dazu gehören auch Termine der Aushändigung des zu illustrierenden Materials und Termin der Ablieferung der Illustrationen, der Fall von Rückzug und Vertragsbruch. Ich verweise darauf so nachdrücklich, weil sich damit nicht nur die Wertschätzung ihrer/ unserer Arbeit  verbindet, sondern viel grundsätzlicher die Anerkennung einer Leistung für eine bessere, offenere und kritische Text – Rezeption.

#Rolf Vollmann, Die Reise um die Welt. Beltz und Gelberg,  Weinheim/Basel 1980.

#Charles Darwin, 1809-1882, „Reise um die Welt“, 1839