Die Theorie entsteht aus der eigenen künstlerischen Praxis!(art77blog.axel-von-criegern.de Nr.340)

 

„System Farbe und Form“.Aquarell und Fineliner. (Im Besitz des Künstlers)©️Voncriegern2022

 

„Garten“Aquarell, Privatbesitz ©️voncriegern2018

Kunstgeschichte und Kunsttheorien habe ich immer nur ^bezogen auf das hier und jetzt  verstanden. Dazu gehört, dass mein eigenes Zeichnen und Arbeiten immer auch entsprechende Gedanken einschließt. Das meint der Untertitel „Reflections of an artist“, der seit 2016 und 340 Posts / Beiträgen unverändert gilt.Inzwischen ist es so, dass ich das Verhältnis von Theorie und Praxis höchst wachsam verfolge. Gegenwärtig ist es die Tendenz Kunst durch Kuratieren begrifflich zu strukturieren um nicht zu sagen „unter Kuratel“ ,Vormundschaft, zu stellen.  Da niemand  meinen blog und meine Arbeiten kuratiert, könnte ich mich ganz auf meine Kunstpraxis  zurückziehen. Aber das klappt bei mir nicht.

Schon während des Akademiestudium hatte ich das Bedürfnis nach Orientierung  an der Kunstgeschichte. Während des anschliessenden Studiums der Kunstgeschichte, klassischen Archäologie, und Politikwissenschaft (1966-1970), verschoben sich traditionelle Gebiete der Kunstgeschichte in Richtung  Gesellschaftswissenschaften. Für mein Zeichnen als Lernmethode galt das nur begrenzt.

Als ich vor ein paar Tagen auf einen Beitrag zur sogen. Systemtheorie  (s. U.a.Wikipedia) stieß, habe ich einen Test gemacht. Bei einem Aquarell habe ich das ´System´ Form und Farbe als in sich geschlossenes, gegen alle anderen Faktoren abgeschirmtes Malen und Zeichnen umgesetzt. Dieser Arbeit stellte ich ein anderes Aquarell gegenüber, das sozusagen „systemfrei“ entstanden ist. Ich denke, dass diese Landschaftsstudie ungezwungener, leichter, natürlicher, „ rüberkommt“. Hier ein System zu erkennen, fällt mir schwer: „Ich und die Landschaft“, „Ich und das Publikum“? Aber genau  diese Aspekte machen das Aquarell eingängiger, als das Testbild. Mein eigenes Verhältnis, zu einer radikal Theorie -gesteuerten Kunst ist ambivalent. Einerseits fasziniert mich die „Logik“ solcher Kunst, andererseits muß ich kleine „Ausrutscher“ machen, um diese Arbeiten freundlicher und offener zu gestalten.

Es gibt „theorieaffine“ Kunst, die von höchster Qualität ist.Auf Anhieb fallen mir „de Stijl“ (Mondrian u.a.) und der „Suprematismus“ (Malewich) ein, während Chagall der Gegenpol wäre. Aber-um gleich ein Missverständnis auszuschalten: Sowohl Mondrian als auch Malewich haben ihre eigenen Theorien zu ihrer eigenen Kunst geschrieben. 

 Eine wichtige Rolle spielt offensichtlich die Zeit. Für meine ´maschinenfreien Holzskulpturen brauche ich sehr viel Zeit. Das Denken nimmt dabei den Rhythmus der Arbeit an.  Ich empfinde  das als wohltuend selbstbestimmt.

Arthistory and art theories I have always only related to the here and now. This includes the fact that my own drawing and work always includes corresponding thoughts. That’s what the subtitle „Reflections of an artist“ means, which has been in effect since 2016 and 340 posts / contributions. In the meantime, I’ve been following the relationship between theory and practice very closely. At present there is a tendency to conceptually structure art through curating, not to say “under curate”, guardianship. With no one pulling my blog and curating my work, I could focus entirely on my art practice. But that doesn’t work for me.

Even during my studies at the academy, I felt the need for orientation in art history. During the final studies in art history, classical archeology and political science (1966-1970), traditional areas of art history shifted towards social sciences. This only applied to a limited extent for my drawing as a learning method.

When I a few days ago on a contribution to the so-called. system theory  (see Wikipedia, among others), I did a test. With watercolor I tried the ’system‘ of form and color as a self-contained painting and drawing shielded from all other factors. I contrasted this work with another watercolor that was created „system-free“, so to speak. I think that this landscape study comes across as more casual, lighter, more natural. I find it difficult to recognize a system here: “I and the landscape”, “I and the audience”?

There is “theoretical” art. I immediately think of “de Stijl” (Mondrian and others) and “Suprematism” (Malewich), while Chagall would be the antithesis. But-just to clear up a misunderstanding: both Mondrian and Malewich have written their own theories about their own art.

Time obviously plays an important role. I need a lot of time for my „machine-free“ wooden sculptures. Thinking takes on the rhythm of work. I find this to be beneficially self-determined.

 

Kunst ist immer sozial (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.334)

„Denken kann ich alle möglichen Optionen künstlerischen Handelns. Das ist für die Kunsthistoriker Basis. Neu ist das praktische Erproben. Wirklich revolutionär ist das „darauf zuarbeiten“, das heißt das von einer eigenen künstlerischen Position aus mit dem/der anderen (Künstler) in einen Dialog zu treten. Das ist mehr als die künstlerische Auseinandersetzung, weil ich das Gegenüber dazu herausfordere das eigene Arsenal der Möglichkeiten zu öffnen. Aktuellen Dialogpartnern entstehen sichtbare Ergebnisse, in die die Leistung des „stummen“ Partners mit eingehen“.

‚Erkenntnis-Gitter‘

„Jeder Strich hat auch eine Erkenntnis-Option (neben der gestalterischen. Innerhalb von beiden gibt es dann wieder die ganze Bandbreite. Das Berauschende sind die fließenden Übergänge!“

“Welche Rolle spielt die Dimensionierung?“

“Ce` solo una cosa che conta: fare,fare,fare!  Agire,agire, muovere, muovere, spostare , cambiare.“

Diese Texte fand ich auf  einer Zeichnung aus dem Jahr 2006, also 10 Jahre vor dem Beginn des art77blog. Auch damals schon war das Gitter Erkenntnis-und Gestaltungsmodell. Es war die Zeit in der ich „sozial“ als gestalterische, ästhetische  Dimension  verstand.Theatralische  Skizzen und Entwürfe füllten in dieser Zeit ganze Mappen.

Mit den Erfahrungen einer uns überlegenen Viren-Macht und mit Putins aggressivem Vorgehen gegen die Ukraine rückten uns innerhalb der letzten zwei Jahre neue Probleme auf den Hals, die andere soziale Wirkungen hatten.

Es gab einige künstlerische Ansätze die Themen „Corona“ und. „Krieg“ ästhetisch zu gestalten, aber mir ist keine überzeugende Lösung in Erinnerung geblieben. Mit überzeugend meine ich Callots Grafiken, Goyas Greuel-Bilder, Klage und Aufschrei der jungen Künstlerinnen und Künstler im und nach dem 1.Weltkrieg. Kann es sein, dass wir die aktuellen Katastrophen wahrnehmen aber nicht erleiden? Irgendwie wird heute alles gemanaged. Dazu gehören Fake-Bilder;Fake-Nachrichten, Fake-Angriffe, Fake-Statistiken u.a. Auf sie könnten möglicherweise Collagen a la John Heartfield oder Hannah Höch reagieren?! Ich weiß es nicht. Was ich selbst erlebe ist die Unsicherheit beim Verarbeiten der Medien-Informationen. Das führte bei mir zu einer gewissen Vereinsamung und gleichzeitig zu neuen Freunden. Für viele sind finanzielle Einschnitte oder nicht mögliche Publikumskontakte sicher auch leidvoll erfahrene soziale Auswirkungen. Zumindest im Zusammenhang mit Ausstellungen blieb mir das erspart. Was ich mit dem Beitragsbild zeigen wollte ist, daß ich (noch?) keine künstlerische Antwort auf  die neuen sozialen Herausforderungen gefunden habe- obwohl ich sie sehr wohl alltäglich spüre. Historisch fühle ich mich in dieser Reaktion dem unerreichbaren und unvergleichlichen Paul Klee nahe.

Perspektive, Perspektiven (art77blog Nr.149)

AvC 2018 „Wilhelmstift“, 55x 75 cm, Acryl auf Bütten ©️

Wenn wir heute von Perspektive  sprechen , dann ist das die Zentralperspektive. In ihrer strengen ,mathematischen Form wurde sie zuerst in Italien im 15. Jhdt  konstruiert (Brunelleschi, Alberti) und hat seitdem unsere bildlichen Darstellungen und Vorstellungen bestimmt. Denkt man an die Fotografie, dann ist die Zentraleperspektive allgegenwärtig . Wie sehr wir bereit sind, diese Darstellungsweise als einzig gültige zu akzeptieren, merken wir an unserem Verhältnis zur Kinderzeichnung, zu mittelalterlichen Darstellungen, Simultanbildern , Volkskunst und uns ‚fremder‘ Kunst einschließlich religiös begründeter Bilderverbote. Der Gedanke, dass die Perspektive in der Neuzeit in verschiedenen Zusammenhängen ein imperialistisches und kolonialistisches Instrument geworden ist, liegt da nicht so fern. ( Vergleiche dazu u.a.Horst Bredekamp und Hans Belting). Jetzt zur Praxis.

Im Falle des „Wilhelmstift“ habe ich links einen Flügel des Gebäudes abgebildet, der beim Blick auf das grosse Tor zum Innenhof nicht zu sehen ist. Auch auf Kosten übertriebener Breite habe ich etwas von der Masse der Anlage vermitteln wollen. Wir kennen solche Effekte heute von Panorama- Bildern.

AvC ©️2018, „Hohentübingen“, Grafit und Acryl auf 55x75cm Bütten

Beim Schloss „Hohentübingen“ bin ich so vorgegangen, dass ich die ganze Anlage hochgeklappt habe. Das erinnert u.a. an die Darstellungen von Klöstern, die noch bis ins 19.Jhdt. in der Vogelperspektive erfolgten. So vermittelt sich die Vorstellung der Komplexität solcher Anlagen.

English Summary 

Drawing and painting two landmarcs of the  city of Tübingen, I stumbled straight in to the questions of central perspective and its dominance in modern history since 1500 a.c. I chose a panoramic and a bird-view perspective.

 

 

Jan Steens Spitzen (Nr. 144)

 

Axel von Criegern: Sitzende Dame mit Kind, 2018, Acryl auf Leinwand, 100x80cm

Der ‚Quereinstieg’ in ein 350 Jahre altes Bild (Jan Steen, „Fröhliche Gesellschaft“, Vergl. Art77blog,Nr.143) über die gemalten Spitzen, brachte mich in einem zweiten Schritt zu einer schwarz grundierten Leinwand. Leider sackten die leuchtend gedachten Acrylfarben rasch in den Grund ein. Ich mischte mit weiß. Aber selbst dann wirkten die Farbflächen verloren auf dem Schwarz. Mit dünnen Linien deutete ich einen Stuhl an. Dieselben Linien definieren aber auch den Bild-Raum und „verorten“ die lose angeordneten Farben. Das konzentrierte und intensive Arbeiten über Tage hinweg hat mir gut getan und ich war sicher die „Schwarzarbeit“ fortzusetzen.

English Summary 

When I tried to transfer my experiences with colours on black from the computer( see Nr. 143) to canvas, I didn’t exspect that the colours would literally drown in the black. I had to blend  them with white. It was like working on the surface of a deep, dark sea. Lines marking a spacial structure became important. I liked this kind of work and was sure to continue this experiment.

 

 

Bekenntnisse eines didaktischen Künstlers 1 (Art77blog Nr.135)

AvC,Vase 1978. H. 46 cm, Unterglasurfarbe, Transsparenzglasur

Auf meinem YouTube-Kanal habe ich unter demselben Titel einen Film eingestellt.

“Bekenntnisse“ ist der ironische Titel einer Reihe von Posts, die ich heute beginne und in denen ich mich als Kunst-Aufklärer oute. Von Jugend an war ich fasziniert von Kunst. Ich wollte wissen wie Kunst geht, nicht was Kunst ist. An der Kunstakademie bekam ich keine Antwort.Bei einem strengen geisteswissenschaftlichen Studium (Kunstgeschichte, Archäologie und Politikwissenschaft ) lernte ich dann die Welt der Ikonografie und Ikonologie kennen. Künstlerisches Erleben , Kommunizieren und Handeln wurde mein zentrales Thema. Nach 4 Jahren geisteswissenschaftlicher „ Ochsentour“ und Dissertation kam ich nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Schülern zum Schluss , dass ich meine Frage nur über meine eigene Praxis beantworten kann.

Was für mich heute klar ist, galt 40 Jahre zuvor, als diese Vase entstand, noch nicht. Aber was ich heute in der  Arbeit zu sehen glaube, ist ein leidenschaftliches Suchen nach dieser Antwort. Figürliche und nicht gegenständliche Motive reihen sich ohne erkennbares Register aneinander. Einzelne Motive werden bewusst isoliert, andere Partien wechseln die Stilmittel, ohne dass nachzuvollziehen ist, warum. Die Anordnung lockt auf die Fährte einer Bildgeschichte, aber diese Geschichte muss man sich ausdenken. Was mich heute anrührt, ist die Heftigkeit und Vehemenz zusammen mit einem offensichtlich kaum zu stoppenden Mitteilungsbedürfnis. Und  ich war kein Jüngling mehr, sondern  ich war nach 5 Jahren Schul-Lehrer inzwischen schon wieder 6 Jahre Hochschullehrer. Aber dieser fragende, offene Zug blieb. Er änderte sich auch nicht während eines reichen Berufslebens . Ich hatte eine heilige Angst vor allzu ausgearbeiteten Dingen, meinte die Langeweile schon zu spüren. Und natürlich betrifft das auch meine Vorstellungen von Lernen. Ich kann nicht und wollte nie belehren. Meine Motivation ist es andere an meiner Begeisterung für Kunst in allen Erscheinungsformen teilnehmen zu lassen und sich selbst immer wieder die Frage „Wie geht Kunst?“ und meinetwegen auch „Was ist Kunst“ zu stellen.

English Summary 

The romantic title „confessions“ refers to a serious self questioning. Today I know that my attitude towards learning of art is not being an instructor, but at best a mentor or trainer. I remembered that when I lately discovered a vase, which I had designed 40 years ago. The black drawing on white clay is very little structured. With its changing styles and subjects it talks about art as an open affaire, as a passionate search. Working at a university already 6 years , I probably expected from my students the same open minded art research.

 

 

Was Zeichnungen verraten (Nr. 133)

1958. Weibliche Figur. Feder, Tusche laviert; 28x23cm

Ein Film „What drawings tell“  mit biografischen Bezügen ist auf meinem YouTube-Kanal „Axel von Criegern“ zu finden

Eine sehr dichte Bleistift -Zeichnung , die in den vergangenen Tagen entstand, hat mich nachdenklich gemacht: Habe ich nicht schon immer wieder einmal so gezeichnet?  Ich habe einige Arbeiten, die zwischen 1956 und heute entstanden sind, zusammengesucht:

1956– Mit 17 Jahren entstand das Selbstbildnis unter deutlichem Einfluss des Kubismus: Selbsterforschung und Selbstdarstellung als Künstler.

1958– Mit 19 Jahren Erproben eines expressiv- dekorativen Stils, der auch heute noch eine gewisse Bedeutung für mich hat.

1962– Verdichten als Mittel Gegenstände so sachlich wie möglich abzubilden und darzustellen.

1972-Verdichtung um sich dramatisch -politisch zu äußern (hier das anhaltende Thema des Vietnamkriegs). Provokation durch Kontrast mit einem Motiv A.Dürers. (Nach dem Abschluss der klassischen Kunstgeschichte und Archäologie mit einer Dissertation über Jan Steen wurde die Verbindung von Kunstgeschichte und eigener künstlerischer Praxis  zu meinem didaktischen Leitmotiv.)

2008– Verdichten um ein literarisch vorgegebenes Thema eindringlich darzustellen. Ausgewogenes  Verhältnis von Inhalt und künstlerischer Lösung ( seit 1979 vielseitige Erfahrungen als Illustrator. 1996 „Vom Text zum Bild. Wege ästhetischer Bildung“)

2018– Mit 78 Jahren deutliche Steigerung des Interesses an der grafisch-künstlerischen Qualität mit Hilfe der Verdichtung. Das Thema ist nicht vorgegeben, sondern die Zeichnung „verdichtet“ sich mit jedem Strich von der ungefähren Form hin zum „grafischen Gegenstand“.

 

English Summary

When drawing the last days it seemed to me a very familiar kind of drawing, that I practised since ever. I chose and compared drawings, not sketches, of various periods. 1956: The selfportrait of the 17 years old  artist tells about orientation (cubism!) and curiosity. 1960- 2008: Drawings of the grown up, „settled“ artist are design statements and illustrations and show a good balance of matters and aesthetics. 2018 stands for the late artist, who has a major interest in the quality of performance and self- reference of art. Probably this is very different in everybodies life. But I think its worth to watch changes and devevelopments already in earlier years.

1956. Selbstporträt; Bleistift ,23×19,5 cm
2008. „Die drei Tauben“, Federzeichnung zu Peter Prange „Die Gottessucherin“
2018 „o.T.“ Bleistift, 16x 15 cm

 

 

 

Cosa sono le nuvole? Was ist das -Wolken? (Nr. 117)

Buch zu zwei Ausstellungen über ein Bild von Jan Steen (2004)

 

In der am 14. Januar zu Ende gegangenen Ausstellung von und über Alexander Kluge im Stuttgarter Kunstverein stieß ich auf Pier Paolo Pasolinos 20-minütigen Film „Cosa sono le nuvole?“ Für mich war das ein großes Erlebnis. Ich war wie gebannt. Dieser 1968 gedrehte Film enthält alles, was mich damals umtrieb und heute noch nachwirkt:Schauspieler, die wie Marionetten (Burattini) von oben mit Schnüren geführt werden, spielen Shakespears „Othello“: Jago (Toto´) dämonisch grasgrün angemalt, der Mohr mit großen Augen und unendlich naiv aus dem geschwärzten Gesicht blickend- das ganze Ensemble echte Straßentheater-Typen. Man kommt schnell zur Sache. Jago stiftet Othello dazu an die Gattin Desdemona aus ( unbegründeter) Eifersucht umzubringen. Das leuchtet dem Publikum überhaupt nicht ein, die Bühne wird gestürmt, Jago und Othello werden niedergerungen und von der Müllabfuhr entsorgt. Der angebliche Liebhaber und Desdemona werden gefeiert. Jago und Othello landen auf einer Müllkippe. Dort sehen sie das erste Mal den Himmel und Othello fragt den erfahreneren Jago, was das da oben sei und als der sagt „Wolken“,  kommt das entwaffnende:  Was sind Wolken?

Ebenfalls 1968 hat Kluge seinen preigekrönten Film „Artisten in der Zirkuskuppel:ratlos“ gedreht. Auch er bewegt sich in einer Fantasie-Wirklicheit. In Stuttgart greift er Pasolinis Gedanken der Verantwortung und Eingriffsmöglichkeiten aller Beteiligten unter Hinzuziehung weiteren Materials auf. Kluge stand der „Frankfurter Schule“ nahe und war mit Adorno befreundet. Uns Jüngeren war er als Kulturschaffender durchaus ein Begriff .Ich kann versuchen meine Situation 1968 zu beschreiben um die Einflüsse aufzuspüren. Aus Gesprächen mit Jüngeren weiß ich, daß unsere Offenheit nach allen Seiten und für alles  einschließlich „multi tasking“ heute nicht mehr denkbar, bzw. anzuraten ist: Zugleich Kunstlehrer, Familienvater und Student, Galerist und Zeitungszeichner, von POP und Marx angezogen, Doktorand und Institutsstürmer. Die Wirkungen auf meine spätere Arbeit kann ich am deutlichsten am Versuch Kunstgeschichte und künstlerische Praxis zu verbinden, nachweisen.

Als „zweite, künstlerische Dissertation“ (Peter Klaus Schuster in seiner Eröffnungsrede der Ausstellung „Wie die Alten sungen…“ 1999 in der Kunsthalle Tübingen) begann ich 1996  Jan Steens ( 1626-1679) Bilder regelrecht zu durchpflügen und alle  denkbaren Aspekte einzubringen. Während die Dissertation (Vergl. “ Abfahrt von einem Wirtshaus“  in Oud Holland. Driemaandelijks  Tijdschrift voor Nederlandse Kunstgeschiedenis, Nr. 1, 1971, S. 9-31) noch brav war, hatte ich in den Folgejahren schier grenzenlose Freiheit. Ohne den Schub von 1968  wäre die vielperspektivische, zum Alltag geöffnete, künstlerisch erweiterte und weitergeführte Auseinandersetzung mit historischen Kunstwerken , die bis zu einem Theaterstück, das die „Abfahrt“ als „Narrenschiff“ auslegt, geht, nicht denkbar gewesen.( Vergl. „Dramaturgie eines Bildes. Jan Steen (1626-1679), „Abfahrt von einem Wirtshaus“. Giessen, Tübingen 2004). Jetzt im fortgeschrittenen Alter ist es nicht immer einfach unschuldig zu fragen „Cosa sono le nuvole?“ Umso dankbarer bin ich für solche (selbst-)begeisternden Wiederbegegungen.

English Summary

Everybody has one day experienced the powerful impact of an artwork. That happened to me in an exhibition of Alexander Kluges latest  works. Here was it particularly a film by Pier Paolo Pasolini “ Cosa sono le nuvole?“ ,What are clouds? Finally I found out, why I was so excited about that film and the way Alexander Kluge worked with it. The key is the year 1968, when we – Pasolini(born 1922, Kluge (born 1932) and me (born 1939) realized, that new cultural and social powers affected actual and future work and life.

 

 

 

 

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Raum und Bildraum (Nr. 100)

 

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Anlässlich einer Ausstellungseröffnung ging es u.a. um die „Abwesenheit des Menschen“ auf den ausgestellten Bildern von 3 Künstlerinnen.(1). Das regte mich dazu an mich selbst über meine eigene Einstellung zu Figur, Raum, Platz zu befragen. Ich machte mit dem mir im Blut liegenden ´visuelle Denken´  Notizen, Skizzen, Zeichnungen.

Die farbige Skizze entstand als ich aus dem Fenster eine kleine Gruppe, die vor dem benachbarten Teeladen gelegentlich  musiziert und das sich auf der gegenüberliegenden Strassenseite versammelnde Publikum beobachtete. Hier entstand ein Raum durch die Aktivitäten des Musizierens und des Zuhörens, Tanzens oder Weiterbummelns. Als sich diese Situation aufgelöst hatte, versuchte ich die raumbeschreibenden Linien mit einem Grafitstift zu erfassen.Interessant ist wie rasch sich dabei Eindrücke eines aus einer Fotografie extrahierten Liniengerüsts einstellen.

Meine Versuche die Sprache zur Klärung heranzuziehen, waren interessant, aber für meine Fragestellung nicht weiterführend. Dennoch stieß ich auf erhellende Unterschiede;  „Volk ohne Platz“ entlarvt das Pathos von „Volk ohne Raum“. Allerdings können Plätze vor allem der politischen Erinnerung mit gewaltigen Gefühlen aufgeladen sein.

In meinem künstlerischen Alltag kann ich mit einem Begriff von Raum, der diffus und offen ist, leben. Das ist wohl auch durch sich im Laufe der Zeit wandelnde Untersuchungen und Vorstellungen von Dimensionen, Zeit, Universen, Geschwindigkeit beeinflusst. Dagegen ist ein Platz begrenzt, flach,  masstäblich und perspektisch darstellbar. An dieser Stelle stieß ich allerdings auf Erwin Panofskis frühe Überlegungen aus den 20 Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zur „Perspektive als symbolische Form“. Und da hört die Einfachheit schon wieder auf.(2) So bildet sich dann mein diesbezügliches Grübeln ab.

Es bleibt dabei, daß ich durch und durch Ikonologe und Strukturalist bin! Sozusagen immer noch auf der Linie der klassischen Moderne seit der Auflösung des Lichtkontinuums durch Turner und die Impressionisten, über den Kubismus bis zum Bauhaus und Folgen. Wie in einem offenen Buch finde ich diese Entwicklung bei Piet Mondrian vom frühen Apfelbaum bis zu einem Victory Boogiewoogie zusammengefasst. Völlig entspannt  malte ich noch am selben Tag dieses kleine Aquarell zum Thema Raum. Und zwar ohne theoretischen Rückhalt!

(1)“Ausblicke“- Carola Dewor, Hannelore Fehse, Johanna Jakolwlev, Zehntscheuer Rottenburg a.N., 17.09. bis 12.11.2017. Einführung Dagmar Waizenegger

(2) Erwin Panofsky: Die Perspektive als „Symbolische Form“. In: Vorträge der Bibliothek Warburg 1924/25. Leipzig/ Berlin 1927

English Summary

As an artist Raum/space is somehow unlimited and unstructured for me.Practising drawing and painting you run into the question of perspective. Erwin Panosky liberated us in the twentier years of the last century from perspective as artistic dogma. And it were artists as Turner, the impressionists, cubists and the Bauhaus going this way even earlier. I consider myself as Iconologist and Structuralist and show my approach to the matter in a few scetches.

5) It looks so naive…!

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Believe it or not:What looks like kids drawing is a ‚result‘ of decades of art activities. Here some, perhaps familiar, keywords of what happens in such a long life span:

1950-1959 typical school art striving towards naturalism. In the later teenage selfexpression and experiences with modern art.

1960-1970 trying to find in various studies and institutes the own place in the world of art

1970-1980 breakthrough of political reflections: the arts in a cruel world

1980-90 what is the real job of your personal art: illustration, independant work or match of historic art and own art?

1990- way back to the genuine elements of art–but not l’art pour l’art. A way to personal and relaxed art.

It seems as if Picasso’s saying that he started as Raffael and endet as a child, happened to be paradigmatic for our generation, but I wonder whether younger artists share this view today.