Schrift links-Bild rechts? (art77blog.axel-von-criegern.de Nr. 221)

Wuchernde Interpretationen“. Kugelschreiber, Farbstifte, 2020, ©️ Axel von Criegern

Die angenehme und vertraute Vorstellung von #zwei Gehirnhälften mit klaren Zuständigkeiten ist zwar oft angegriffen worden, aber nach wie vor hilfreich. Für die künstlerische Arbeit ist sogar eine weitere Vereinfachung hilfreich: Schrift und logisches Denken auf der linken Seite, Vorstellung, Gefühl, Unschärfe, Komplexität an Sprache und Schrift vorbei auf der rechten Seite. Ganz abgesehen von ausgesprochenen #„Grenzgängern“ ist Kunst immer im ganzen Gehirn beheimatet. Bei der Lektüre von #Harald Haarmann „Universalgeschichte der #Schrift“ stieß ich auf einen eminent wichtigen Gedanken. Zwar gilt die historische Abfolge ‚zuerst Bilder, später Schrift in Verbindung mit Sprache‘, aber der neue Ansatz betont nicht nur die kulturelle Abhängigkeit der Bilder, sondern auch ihre immer geltende „ #mnemotechnische“ Bedeutung. Die verbindet den frühmittelalterlichem #„Teppich von Bayeux“ (1000 n.Chr.) mit den Zeichnungen einer modernen Gebrauchsanweisung. Beide machen sich an der Sprache vorbei für die bildhafte Vorstellung unverzichtbar. Also gab es immer Bilder- mehr oder weniger in Verbindung mit Schrift und Sprache. Der „#Primat der Bilder“ und die“Bildtechniken“(Haarmann) beziehen sich demzufolge nicht ausschließlich auf die heutige kulturelle Situation, sondern sind von grundlegender #anthropologischer Bedeutung. Mein Künstlerherz jubelt: Schluss mit den Minderwertigkeitskomplexen- Schluss aber auch mit absurdem Starkult. Denn der lenkt ebenfalls von der menschlichen, gesellschaftlichen, kulturellen Verantwortung der #visibilita‘/ visibility und deren Produktion ab.

#visibilita‘ (ital. „Sichtbarkeit“) ein von Italo Calvino , beginnend mit #Dante Alighieri immer wieder verwendeter Begriff (gut bei Wikipedia)
#Walter Haarmann: Universalgeschichte der #Schrift; Frankfurt,New York 1990 (Campus)
Grenzgänger: Mit diesem Begriff beziehe ich mich auf ein Papier von #Jürgen Wertheimer „Zwischen Text und Bild: Künstlerische Grenzgänger.“

English Summary
Since the times of „enlightenment “ letters and speech are culturally and philosophically predominant. But our everyday life is ruled by pictures. Looking back to the pre-letter- times we learn that long, long before languages there was a world of pictures, pictorial symbols, signs and stories. They covered most of human thinking, planning, memories, reports, contracts, phantasies. They stood for reliable, authentic comunication. In the Age of Enlightenment pictures became „illustrations“. Finally the development of photography taught people to use image
s for lying, cheating, manipulating. And what are artists in this situation good for?