Um eine Seite des Wilhelmsstifts in Tübingen im „Postkarten“-Stil zu malen, habe ich mir zum Garten Zugang verschafft und in der Sommerhitze stehend, aquarelliert. Das Bild ist nicht schlecht geworden, aber es ist „abgemalt“. Der für mich bei der Motiv-Wahl wichtige Charakter einer # Renaissance-Architektur war auf der „Postkarte“ nur völlig untergeordnet in der hintersten Ecke zu erkennen.
In einem zweiten Anlauf im Atelier, reagierte ich erst einmal mit abstrakten Farbflecken auf meine Unzufriedenheit und fügte eine kleine Treppe links unten aus der Erinnerung ein. Von der linken Hauswand war mir ein halbgeschlossenes Fenster mit flachen Bögen in Erinnerung. Der entscheidende, das Bild prägende Schritt bestand darin die grossen Bögen über einem Treppenhaus auf der rechten Seite groß in die Mitte zu rücken. Das wurden dann aber Bögen mit ´gekröpften` Rahmen und Rollen, die man so auf dem „Postkartenbild“ vergeblich sucht. Ohne direkten Bezug zum Motiv fügte die Phantasie noch alle möglichen Gestalten ein, die aus den anfänglich abstrakten Farbflecken entstanden.
Meistens wird die Erscheinung, dass auf ein konkretes Motiv eine freie, abstrakte Lösung folgt, als #stilistischer Fortschritt gemeint und verstanden. So habe ich mein „zweites Bild“ auf keinen Fall verstanden.
#Anders als bei der italienischen Renaissance-Architektur ist die geschichtlich spätere deutsche Renaissance-Architektur bis auf wenige Ausnahmen weniger von dem neuen geometrisch-körperlichen Verständnis als von dekorativen Elementen bestimmt. So wird auch von einem „Rollstil“ gesprochen. In Tübingen sind sowohl das große Portal des Wilhelmsstifts als auch das untere Tor zum Schloß Hohentübingen typisch.
#Hier fällt mir immer die Entwicklung von Bildreihen bei Piet Mondrian ein.
In order to paint one side of the Wilhelmsstift in Tübingen in „postcard“ style, I gained access to the garden and, standing in the summer heat, painted with watercolours. The picture hasn’t gone bad, but it’s „repainted“. The character of # Renaissance architecture, which was important for me when choosing a motif, was only completely subordinate in the farthest corner of the „postcard“.
In a second attempt in the studio, I first reacted to my dissatisfaction with abstract patches of paint and added a small staircase on the bottom left from memory. From the left wall of the house I remembered a half-closed window with flat arches. The decisive step that shaped the picture was to move the large arches over a stairwell on the right side to the center. But then they became bows with ‚cranked‘ frames and rolls, which one looks for in vain on the „postcard picture“. Without direct reference to the motif, the imagination added all sorts of shapes that emerged from the initially abstract patches of color.
Most of the time, the phenomenon that a concrete motif is followed by a free, abstract solution is meant and understood as #stylistic progress. That’s not how I understood my „second picture“ at all.