Digitale Kunst und ästhetische Forschung (art77blog Nr 159)

    Axel von Criegern:“Dimensionen“ 2018. 22x18cm, Farbstifte.

Mit Hilfe eines alten Rahmens und Anlehnung an den älteren Porträt-Stil, wurde das mit einem Agorithmus und ohne menschliches Eingreifen entstandene Porträt eines „Bel’ami“ bei Christie‘s für 380.000€ versteigert. Faszinierend wie 3 junge Männer die Maschine so programmiert hatten, dass sie aus den Datensätzen von 15.000 echten Porträts ein Fake-Porträt a la Kunst um 1800 produzierte. Bestechend aber auch die Reaktion des Marktes.Aus historischer Sicht bewegt sich der Fall im Graubereich der Medien-Einführung und erinnert an „Geisterfotographie“, handkolorierte Porträtfotos, oder Retuschen von Gruppen-Aufnahmen.

Demgegenüber kommt mir mein Interesse an der ästhetischen Bedeutung digitaler Möglichkeiten äußerst bescheiden vor. Es knüpft  an meine künstlerischen Konzepte (Spiel, Offenheit, Serialität, Text-und Bildverknüpfung, Dramatik) an und drängt mich zum Erkunden neuer -auch digitaler- Dimensionen..

Mein jüngstes Beispiel begann auf einem aus vielen Erfahrungen vertrauten Spielfeld. Während beim abendlichen  ‚Paar-Fernsehen‘ mehr oder weniger belangloses Zeug zu sehen , bzw. zu hören war, entstand auf meinem Bibliotheks-Tisch ein Blatt mit Haken, Bögen und Punkten. Sozusagen als Vorgriff auf weitere Schritte  fügte ich noch in der Mitte ein paar Farbakzente mit Buntstiften hinzu. Am nächsten Morgen betonte ich diese Mitte und festigte im Gegenzug auch die umgebende Fläche mit grafischen Zeichen und Farb-Ecken, ohne die Zentrierung aus den Augen zu verlieren. An dieser Stelle meinte ich von meinen Erfahrungen mit der digitalen Zeichnung profitiert zu haben . Es war als ob sich eine Tür zu neuen Räumen öffnete, ein „Interface“ zwischen Augen, bzw Hirn und noch nicht erkundeten, ästhetischen Räumen. Dieser offene Raum hat für mich deswegen große Bedeutung, weil ich zuvor gerade bei Arbeiten im Bild-Schrift -Bereich (# Vor-Schriften/Vor-Bilder 1996) häufig die Enge bedrängte. Jetzt ahnte ich beim Zeichnen eine neue ,weitere Dimension, die es zu erforschen reizt.

English Summary

The breaking news of a portrait made by AI made me reflect my own poor progress in aesthetic research. But I am convinced to learn from the development of machine- intelligence and-creativity.

 

 

Die Dichter (Rederijkers)art77blog Nr.146

Axel von Criegern:„Rederijkers“, 2018. Acryl auf Leinwand, 100x70cm

Die Idee auf schwarzem Grund zu malen kam mir beim Betrachten der Fröhlichen Gesellschaften meines ‚Wahlverwandten‘ Jan Steen (1626-1679). Beim jüngsten Versuch habe ich das Thema der Versammlungen  von Laien-Dichtern, den ,rederijkers‘, in ihrem Vereinslokal übernommen. Sie waren bei Steen Zielscheibe gutmütigen Spotts. Ich denke dabei an den ,Peter Squenz‘ von Andreas Gryphius oder Shakespears ,Sommernachtstraum‘.

Auch hier habe ich eine Leinwand schwarz grundiert und dann darum gekämpft, dass die Buntfarben nicht vom Grund aufgesaugt werden. Das gelang nur in mehreren Schichten und kräftigen Weissaufhellungen. Die ganze Komposition wurde von diesem Streit zwischen  Licht und Dunkelheit bestimmt. Das weibliche Profil am linken Bildrand bekommt vor diesem Hintergrund eine eigene dramatische Rolle jenseits der Selbstdarstellung der Dichter. Beim ersten Bild dieser schwarzen Reihe (art77blog, Nr. 144) hatte ich fragile Linien zur Verbindung der Farbflächen benutzt. Gleichzeitig waren Sie Zeichen für ,Raum‘. In ähnlicher Funktion habe ich auch hier die Linien eingesetzt. Sie spannen sich wie Drähte über den dunklen Grund. Die Mitte wird durch ein ,Fadenkreuz‘ vor der Nase des Ober-Dichters markiert.

English Summary 

 ‚Rederijkers‘ were the laymen-poets in 16th / 17th century in oud Holland called. Jan Steen did in some of his paintings mock on them. In my approach to Steen I tried again painting on a black ground. The light female profile on the left is the counterpart to the weird ‚poets‘. The thin lines give hold to the colour patches and stand for space.

Vor-Schriften, Vor-Bilder. Überlegungen zur grafischen Kommunikation. (Nr.110)

AvC, 2017

Ein Erlebnis

Im Vorraum einer Bank stand ein Kindercomputer. Als ein Kind, das gerade davor saß, fertig war, probierte ich das Malprogramm aus. Und wieder war ich begeistert über das „Menetekel“, die aus dem nichts auftauchenden Zeichen in der gewählten Farbe und Strichstärke.

AvC 2017

Seit meinem 15,/16. Lebensjahr tauchen diese Zeichen auf (Vergl. art77blog, 17.Juli 2017: „Siebzehn Jahr…“). Natürlich haben sie sich im Laufe der Jahre gewandelt. Vor Jahrzehnten habe ich diesen Zeichen Autonomie zugestanden und in einer großen Ausstellung gefeiert („Vor-Bilder/ Vor-Schriften“;Zehntscheuer Rottenburg, 1996. Mit gleichnamigem Buch)

Angeregt durch das Erlebnis mit dem Kindercomputer zeichnete ich ein kleines Bild mit einem schwarzen Marker als Test und trug im folgenden Farben mit Buntstiften auf. In dieser Phase bekam ich von Jürgen Wertheimer einen wunderbaren Text aus einem gerade entstehenden Buch zum Thema „Zwischen Text und Bild: Künstlerische Grenzgänger.“ zur Verfügung gestellt. Dieser Text über Cy Twombly wird ein Kapitel dies Buches sein. Vor allem Wertheimers Betonung der absoluten Autonomie der Zeichen, die zu nichts in Beziehung stehen, auf nichts verweisen und für nichts stehen, hat mich begeistert: „So sollte man diese Bilder vielleicht auch als eine Art Theater der Zeichen nehmen (…) wir sind Beteiligte, wie im antiken Theater. Aber nicht wie im Theater am Geschehen der Handlung, sondern am Geschehen des Materials(…) als Akteure,als Hauptdarsteller in einer Komödie der Farbspiele, Formgebungen, Rhythmisierungslust.“ Und da sind auch noch die „spielerischen Gefühle“, die Wertheimer in Bezug zu Schillers Ästhetische Erziehung des Menschen stellt: „Keine bissige Mythendekonstruktion, kein rigider Illustratismus, sondern die fast kindlich unbefangene Mutwilligkeit die Zeichen von den straffen Seilen, die an fixe Bedeutungen binden, lösen, zu befreien, zumindest für einen Moment.“

Verglichen mit Twomblys Zeicheneruptionen kommen meine Zeichen- Texte bieder daher. Sie zieht es zur Schrift und zugleich zum Bild. Sie haben zwar auch keine Bindungen an Bedeutungen, sind aber nicht von sich gelöst. Im Gegenteil, wie von einer Kompassnadel geführt, drängen sie zu einer Einheit von Text und Bild wie zu einem Ort der Verheißung. Dabei schlägt mein Weg von der Kunst zur Kunstgeschichte und im besonderen der Ikonologie und Didaktik durch. Und in diesem Zusammenhang hier ist wichtig,-daß ich  eigentlich meine Dissertation über Piet Mondrian schreiben wollte., mich aber aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen konnte. Der arme Jan Steen hats dann zu spüren bekommen.

Unter dem Einfluss der Twombly- Lektüre habe ich heftig über das kleine Zeichenbild radiert, was den Zeichen etwas von ihrer Rigidität nahm und einen Moment des Schwebens gab. Jetzt erinnerte ich mich an frühere Versuche und habe eine weitere Replik der Zeichnung über einen frottierten (durchgeriebenen), strukturierten Grund, der lediglich durch den Papierabriß begrenzt war, gelegt.

AvC 2017
AvC 2017

Wie es auch immer weiter geht,  Wertheimer-Twombly haben mich im Vertrauen auf meine Arbeit bestärkt. Danke, Grazie!

Vergl. weiter art77blog, 29.Juni 2017 „Computer, Pixel und die Welt als Zeichen“ und 4. Juli 2017 “ Zeichentexte“.

English Summary

From my teenage days on I emploid signs and symbols in my pictures (s. art77blog „17 Jahr…“ July 17, 2017). Often they look like letters, but they are not. They stand for themselves. Reading  an essay of Jürgen Wertheimer about  Cy Twombly („Lingering at the threshholdbetween word and language“) I learned a lot about the indipendence and selfreference of the signs in Twomblys paintings. That made me understand my own „lettering“ much better.