Kunst ist immer sozial (art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.334)

„Denken kann ich alle möglichen Optionen künstlerischen Handelns. Das ist für die Kunsthistoriker Basis. Neu ist das praktische Erproben. Wirklich revolutionär ist das „darauf zuarbeiten“, das heißt das von einer eigenen künstlerischen Position aus mit dem/der anderen (Künstler) in einen Dialog zu treten. Das ist mehr als die künstlerische Auseinandersetzung, weil ich das Gegenüber dazu herausfordere das eigene Arsenal der Möglichkeiten zu öffnen. Aktuellen Dialogpartnern entstehen sichtbare Ergebnisse, in die die Leistung des „stummen“ Partners mit eingehen“.

‚Erkenntnis-Gitter‘

„Jeder Strich hat auch eine Erkenntnis-Option (neben der gestalterischen. Innerhalb von beiden gibt es dann wieder die ganze Bandbreite. Das Berauschende sind die fließenden Übergänge!“

“Welche Rolle spielt die Dimensionierung?“

“Ce` solo una cosa che conta: fare,fare,fare!  Agire,agire, muovere, muovere, spostare , cambiare.“

Diese Texte fand ich auf  einer Zeichnung aus dem Jahr 2006, also 10 Jahre vor dem Beginn des art77blog. Auch damals schon war das Gitter Erkenntnis-und Gestaltungsmodell. Es war die Zeit in der ich „sozial“ als gestalterische, ästhetische  Dimension  verstand.Theatralische  Skizzen und Entwürfe füllten in dieser Zeit ganze Mappen.

Mit den Erfahrungen einer uns überlegenen Viren-Macht und mit Putins aggressivem Vorgehen gegen die Ukraine rückten uns innerhalb der letzten zwei Jahre neue Probleme auf den Hals, die andere soziale Wirkungen hatten.

Es gab einige künstlerische Ansätze die Themen „Corona“ und. „Krieg“ ästhetisch zu gestalten, aber mir ist keine überzeugende Lösung in Erinnerung geblieben. Mit überzeugend meine ich Callots Grafiken, Goyas Greuel-Bilder, Klage und Aufschrei der jungen Künstlerinnen und Künstler im und nach dem 1.Weltkrieg. Kann es sein, dass wir die aktuellen Katastrophen wahrnehmen aber nicht erleiden? Irgendwie wird heute alles gemanaged. Dazu gehören Fake-Bilder;Fake-Nachrichten, Fake-Angriffe, Fake-Statistiken u.a. Auf sie könnten möglicherweise Collagen a la John Heartfield oder Hannah Höch reagieren?! Ich weiß es nicht. Was ich selbst erlebe ist die Unsicherheit beim Verarbeiten der Medien-Informationen. Das führte bei mir zu einer gewissen Vereinsamung und gleichzeitig zu neuen Freunden. Für viele sind finanzielle Einschnitte oder nicht mögliche Publikumskontakte sicher auch leidvoll erfahrene soziale Auswirkungen. Zumindest im Zusammenhang mit Ausstellungen blieb mir das erspart. Was ich mit dem Beitragsbild zeigen wollte ist, daß ich (noch?) keine künstlerische Antwort auf  die neuen sozialen Herausforderungen gefunden habe- obwohl ich sie sehr wohl alltäglich spüre. Historisch fühle ich mich in dieser Reaktion dem unerreichbaren und unvergleichlichen Paul Klee nahe.

Warum?Why? (Art77blog.axel-von-criegern.de. Nr.327)

 

 


Zu einem Fernseh-Beitrag über Nonnen.

Warum tue ich mir das an? Ich muss mich an meine Anfänge im Sommer 2016 erinnern. Ein blog schien die ideale Plattform zur Veröffentlichung von gezeichneten und geschriebenen Gedanken in einer Einheit zu sein. Was ich damals noch nicht wusste :dasUngleichgewicht von Bild und Wort lässt sich auch im Internet nicht aufheben. Im Gegenteil wurde bei der Nutzung von wordpress, Facebook und Instagram immer deutlicher, dass ich mich in eine BILD-Reuse hineinbewegte. Die Aufforderung von Instagram die Wahrnehmung der „Fotos“ zu bestätigen hielt ich anfänglich nur für eine sprachliche Vereinfachung. Ich wollte Marshal McLuhan ‚s „The Medium is the Message“ von 1960 , das sich damals auf das Fernsehen als höchstes der medialen Gefühle bezog, auch für das Internet geltend machen. Auch wenn ich zehn Mal betonte, dass es mir um die Chance ging meine Bildbeispiele und niedergeschriebenen Gedanken als gleichwertig zu verstehen. Meine kondensierten und vereinfachten Texte sollten die Schwellenangst nehmen. Das funktionierte viel radikaler als ich fantasiert hatte. Es gab nur schwache Rückmeldungen zu den Texten und wenn dann waren es die akademisch geschulten Menschen und nicht „visuelle Analphabeten“, die ich meinte. Und auch nicht akademisch gebildete Menschen, denen ich meine Kritik an der verdwasten Sprache der Kunsttheorie vermitteln wollte. Im Gegenteil tue ich mir mit dem urzeitlichen ‚“jetzt stellen wir uns mal ganz blöd“ einen Bärendienst. Ich habe das Gefühl, dass alle außer mir ihr ‚best of‘ ins Netz stellen…Da wird die gut gemeinte Bescheidenheit logischerweise missverstanden. So, jetzt höre ich auf. Es gibt noch viel hinzuzufügen: was passiert mit der Kunst in den social media? Wie behauptet sie sich gegen den Bild – Tsunami; bleibt es bei verschiedenen Formen von Werbung; welche Bedeutung haben die Kunstb eiträge in den social media für die Kunstdiskussion??
ich habe eine Woche voller Ärger mit der hard- und software meines blogs hinter mir.Eine andere Erfahrung mit dem „the medium is the messsage“!!

Es gibt nichts Aufregenderes als das Entstehen von Kunst. (art77blog.Nr. 155)

Bild 1: Blick auf das Wilhelmstift mi Hauptportal und Lange Gasse. Graffit auf Bütten , 201 8, ©abc 2018
Bild 2: Blick auf die Gartenseite. Erweiterung der Perspektive. Grafit auf Bütten©️avc 2018
Bild 3: Leute, die vorbeigingen ( Entspannung, sehr warm); Grafit auf Bütten; ©️avc 2018
Bild 4: Rückkehr zum Ort des Verbrechens um Details festzuhalten. Grafit auf Bütten©️avc 2018

Ob meine künstlerische Arbeit oder die anderer, wenn eine Arbeit als fertig verstanden wird, ist die Spannung raus. Das hat nichts mit der Qualität zu tun.Das fiel mir beim Blick in mein Skizzenbuch auf, in dem die Annäherung an das Bild „Wilhelmstift“ festgehalten sind.

English Summary 

Very often  I find the approach to a an art- challenge much more exciting then the solution, the „work“ itself. Of course you may say: depends…

Motiv und Motivation (art77blog Nr.151)

„Am alten Pankower Wasserturm“ , Smartphone, My brushes pro. ©️Axel von Criegern 2018

Der Begriff „Motiv“ ist der Kunst- und in Alltagssprache gleichermaßen vertraut. „Motivation“ ordnen wir dagegen zuallererst der Psychologie zu. In der künstlerischen Arbeit verschmelzen die beiden Begriffe. Das wurde mir deutlich, als ich während eines Berlin-Aufenthalts zwar die immer vorhandene Motivation (Lust ,fast ein Plichtgefühl) am Auseinandersetzen mit der Umgebung verspürte, aber keine rechte Gelegenheit dazu fand. Ein kleiner Spaziergang zum alten Pankower Wasserturm und ein Stop auf einer Bank am Spielplatz bot endlich eine Chance. Der Blick war dann doch nicht so toll, der Ausschnitt deckte sich nicht mit dem Motiv, das ich zu sehen erhoffte. Ich bekam den schlanken und den gedrungenen Turm nicht zusammen . Ich habe wenigstens eine Skizze der spielenden Kinder, -Baum drüber und gedrungenes Gebäude dahinter -, angelegt: time over, wir mussten zurück.

Gegen Abend konnte ich mich der mageren Ausbeute des Tages noch einmal zuwenden und in Richtung eines Bildes weiter behandeln. Ich finde, dass man am Ergebnis schön das Ringen um das Bild ablesen kann, das dann letztlich ein neues BildMotiv entstehen ließ.

„Alte Nationalgalerie“, Smartphone, My brushes pro; ©️Axel von Criegern 2018

Eine völlig andere Situation ergab sich am nächsten Tag. Wir wollten die Ausstellung „Wanderlust“ in der alten Nationalgalerie sehen. Angesichts der kilometerlangen Schlange haben wir uns auf der Wiese Liegestühle geschnappt ( „ Familiensonntag“) und im Halbschatten entspannt zugeschaut und gelesen. In Ruhe sind meine Augen über die Fassade mit allen Details gewandert und siehe da, das PostkartenMotiv  hatte seine Reize. Ohne Zeitdruck, die Motivation in harmonischer Übereinstimmung mit Situation und Gesehenem , konnten sich Motiv und Zeichnung entfalten.

English Summary

Motive“ is in the language of art and everyday life familiar. We know „motivation“ from Psychology and Behaviour Theory. If you study yourself practicing art you will notice that both act almost symbiotic.

 

Perspektive, Perspektiven (art77blog Nr.149)

AvC 2018 „Wilhelmstift“, 55x 75 cm, Acryl auf Bütten ©️

Wenn wir heute von Perspektive  sprechen , dann ist das die Zentralperspektive. In ihrer strengen ,mathematischen Form wurde sie zuerst in Italien im 15. Jhdt  konstruiert (Brunelleschi, Alberti) und hat seitdem unsere bildlichen Darstellungen und Vorstellungen bestimmt. Denkt man an die Fotografie, dann ist die Zentraleperspektive allgegenwärtig . Wie sehr wir bereit sind, diese Darstellungsweise als einzig gültige zu akzeptieren, merken wir an unserem Verhältnis zur Kinderzeichnung, zu mittelalterlichen Darstellungen, Simultanbildern , Volkskunst und uns ‚fremder‘ Kunst einschließlich religiös begründeter Bilderverbote. Der Gedanke, dass die Perspektive in der Neuzeit in verschiedenen Zusammenhängen ein imperialistisches und kolonialistisches Instrument geworden ist, liegt da nicht so fern. ( Vergleiche dazu u.a.Horst Bredekamp und Hans Belting). Jetzt zur Praxis.

Im Falle des „Wilhelmstift“ habe ich links einen Flügel des Gebäudes abgebildet, der beim Blick auf das grosse Tor zum Innenhof nicht zu sehen ist. Auch auf Kosten übertriebener Breite habe ich etwas von der Masse der Anlage vermitteln wollen. Wir kennen solche Effekte heute von Panorama- Bildern.

AvC ©️2018, „Hohentübingen“, Grafit und Acryl auf 55x75cm Bütten

Beim Schloss „Hohentübingen“ bin ich so vorgegangen, dass ich die ganze Anlage hochgeklappt habe. Das erinnert u.a. an die Darstellungen von Klöstern, die noch bis ins 19.Jhdt. in der Vogelperspektive erfolgten. So vermittelt sich die Vorstellung der Komplexität solcher Anlagen.

English Summary 

Drawing and painting two landmarcs of the  city of Tübingen, I stumbled straight in to the questions of central perspective and its dominance in modern history since 1500 a.c. I chose a panoramic and a bird-view perspective.

 

 

Die Dichter (Rederijkers)art77blog Nr.146

Axel von Criegern:„Rederijkers“, 2018. Acryl auf Leinwand, 100x70cm

Die Idee auf schwarzem Grund zu malen kam mir beim Betrachten der Fröhlichen Gesellschaften meines ‚Wahlverwandten‘ Jan Steen (1626-1679). Beim jüngsten Versuch habe ich das Thema der Versammlungen  von Laien-Dichtern, den ,rederijkers‘, in ihrem Vereinslokal übernommen. Sie waren bei Steen Zielscheibe gutmütigen Spotts. Ich denke dabei an den ,Peter Squenz‘ von Andreas Gryphius oder Shakespears ,Sommernachtstraum‘.

Auch hier habe ich eine Leinwand schwarz grundiert und dann darum gekämpft, dass die Buntfarben nicht vom Grund aufgesaugt werden. Das gelang nur in mehreren Schichten und kräftigen Weissaufhellungen. Die ganze Komposition wurde von diesem Streit zwischen  Licht und Dunkelheit bestimmt. Das weibliche Profil am linken Bildrand bekommt vor diesem Hintergrund eine eigene dramatische Rolle jenseits der Selbstdarstellung der Dichter. Beim ersten Bild dieser schwarzen Reihe (art77blog, Nr. 144) hatte ich fragile Linien zur Verbindung der Farbflächen benutzt. Gleichzeitig waren Sie Zeichen für ,Raum‘. In ähnlicher Funktion habe ich auch hier die Linien eingesetzt. Sie spannen sich wie Drähte über den dunklen Grund. Die Mitte wird durch ein ,Fadenkreuz‘ vor der Nase des Ober-Dichters markiert.

English Summary 

 ‚Rederijkers‘ were the laymen-poets in 16th / 17th century in oud Holland called. Jan Steen did in some of his paintings mock on them. In my approach to Steen I tried again painting on a black ground. The light female profile on the left is the counterpart to the weird ‚poets‘. The thin lines give hold to the colour patches and stand for space.

Jan Steens Spitzen (Nr. 144)

 

Axel von Criegern: Sitzende Dame mit Kind, 2018, Acryl auf Leinwand, 100x80cm

Der ‚Quereinstieg’ in ein 350 Jahre altes Bild (Jan Steen, „Fröhliche Gesellschaft“, Vergl. Art77blog,Nr.143) über die gemalten Spitzen, brachte mich in einem zweiten Schritt zu einer schwarz grundierten Leinwand. Leider sackten die leuchtend gedachten Acrylfarben rasch in den Grund ein. Ich mischte mit weiß. Aber selbst dann wirkten die Farbflächen verloren auf dem Schwarz. Mit dünnen Linien deutete ich einen Stuhl an. Dieselben Linien definieren aber auch den Bild-Raum und „verorten“ die lose angeordneten Farben. Das konzentrierte und intensive Arbeiten über Tage hinweg hat mir gut getan und ich war sicher die „Schwarzarbeit“ fortzusetzen.

English Summary 

When I tried to transfer my experiences with colours on black from the computer( see Nr. 143) to canvas, I didn’t exspect that the colours would literally drown in the black. I had to blend  them with white. It was like working on the surface of a deep, dark sea. Lines marking a spacial structure became important. I liked this kind of work and was sure to continue this experiment.

 

 

Schreib Kunst, schreib! Plädoyer für eine aufgeklärte Kunst ( Nr. 142)

Im alten Botanischen Garten“, My Brushes,iPad; ©avc 2018

Der Titel dieses Beitrags bezieht sich auf die nicht ganz unumstrittene Inschrift auf dem Rahmen des Maulbronner Altars  des Lucas Moser ‚ Schri kunst schri‘ , allerdings nicht als Klage, sondern als Aufforderung an die Künstler, über ihre Arbeit aufzuklären. Denn das können nur sie allein. Sie sind und bleiben die einzigen Zeitzeugen der Voraussetzungen, Bedingungen und Durchführung  ihrer Kunst. Wer sonst sollte ihre Ängste, Triumphe, Besessenheit, Kalküle, Ringen um Orientierung  und die Vielzahl von Einflüssen ermessen? Für dieses Wissen gibt es keinen Markt oder Ranking, es berührt die menschliche Gesellschaft als ganze. Spätestens bei der Begegnung mit Künstlern anderer Länder und Kulturen wird einem die notwendige Aufklärung bewusst.m

English Summary

Its a duty for artists to let people know about the conditions of their work, their emotions, impact, speed, craft, hope and delusions, doubts and triumph. For an illuminated society this is more important than a work itself. If this seems to be weird to you, just think about a global world and how hard it is to get access to its art.