Lust und Unlust (art77blog Nr.140)

 AvC: Zitronen, Aluminium und Acryl, 2018 ©️

Eine vertraute Situation: Die Ehefrau liebt Zitronen  undnd folglich auch Zitronenbilder. „Mal mir doch ein Zitronenbild..!“ Ich habe null Lust. Nicht zuletzt deswegen, weil ich gerade intensiv mit Blech arbeite. Teils um den Druck abzubauen, teils aus Trotz, teils aus Lust an der Herausforderung, treibe und punze ich Zitronen-Formen in dünnes Alu-Blech. Schwer genug! Um aus den Zitronen ein Bild zu machen, lege ich einen flachen Teller drum herum. In dieselbe Richtung geht der Einsatz der Farbe. Die deutliche Ablehnung durch die Auftraggeberin war fast zu erwarten. Ich hatte den bearbeiteten Teil einfach auf dem Blech stehen lassen, um meinem Unbehagen an dem Kitsch- Effekt mit einer gewissen Ironie zu begegnen. Nicht jederfraus Sache! Also stand das ungeliebte Kind einige Zeit schmollend im Atelier. Gestern habe ich das Blech wieder in die Hand genommen, um auch die Umgebung des farbigen Teils zu gestalten. Im Moment entstehen große Relief – Formen ohne Themenbezug. Mal sehen ,was da heraus kommt. Im Grunde ist es das alte Thema aus etwas „misslungenem“ noch etwas zu machen. Oft genug ist das ja der Beginn ganz neuer Werkerfahrungen.Aus Erfahrung schliesse ich auch nicht aus, dass dann das neue Produkt, wenn auch nicht im Sinne des ursprünglichen Auftrags, doch noch Gnade findet.

P.s. Auf den Gedanken mit der Lust kam ich bei der Lektüre von Heinrich von Kleists  Abhandlung „Über das allmählige Verfertigen von Gedanken beim Reden“. Dort weist der Autor auf  eine für das Denken und Kommunizieren günstige „Erregung des Gemüts“ hin.

English Summary

My wife wanted me to paint a lemon—picture.   Since I work with metal for some time, it was not what I really was interested in. I tried it with sheet metal and acrylic colours. She didn’t like that. So back in the studio. Now after some days I realized that I am still not ready with these lemons. So I started yesterday to punch the part of the aluminium, that is not painted in a kind of contrast to the lemons. Even if it is not the wanted picture it is certainly a new challenge and experience.

 

L

Ein Metallrelief entsteht (Nr. 122)

Das Treiben, Punzen, Ziselieren von Blech ist eine der ältesten Kunst-Techniken. Im 2. Jahrtausend v.Chr. bestechen die Goldblecharbeiten in Ägypten (Tut ench Amun), die mykenischen Goldmasken, der Stierbecher und die Funde in Syrien und natürlich der Inkas. Große Bedeutung hat bis heute die Metallbearbeitung für Schmuck und dekorative Objekte. Einen hohen Stellenwert hatte die Metallbearbeitung in der englischen „Arts and Craft“-Bewegung, im Jugendstil und natürlich in den Material-Unteruschugen und Werkstätten des Bauhauses. Heute denkt man bei Blechkünstlern an Verfahren des Pressens, Knautschens und Deformierens a la Cesar, Chamberlain oder Stella.

Ich selbst bearbeite Blech seit ca.20 Jahren. Damals suchte ich ein statisch zuverlässiges, schneid- und formbares Material um im Zusammenhang mit meinen Arbeiten zu  Jan Steen (1626-79) Figuren herzustellen. Eine andere Bedeutung bekam Blech später als Bildträger für mich. Dabei ging es mir um die Öffnung der Bilder nach hinten und vorn, um die „Befreiung des Bildes aus der Gefangenschaft in der Fläche“. Geschnitten und lackiert entstanden auf diese Weise Reliefs.

Wieweit Raster ( Vergl. „Rhythmus-Abstand-Raum“, art77blog, Nr. 121 und „Mein Film 3“ auf YouTube) auch für meine Blecharbeiten von Bedeutung sind, habe ich in den letzten Tagen am Beispiel eines Reliefs erprobt. In ein dünnes Blech aus einer Aluminium-Legierung habe ich als erstes ein Raster aus Quadraten geritzt (s. Bild oben). Ein Ausfüllen jedes Quadrats mit Zeichen, wie ich es im Post Nr. 121 demonstriert habe, wäre mit der Blechschere schwierig und erzwungen gewesen.Dagegen bekam das Raster während der Arbeit zunehmend die Funktion eines Orientierungs-und Dialogsysrems. Ich orientierte mich zwar an den Feldern, aber mehr im Sinne einer Heruasforderung, auf die es zu reagieren galt.

Bisher habe ich Blechreliefs vor allem geschnitten und bemalt. Bei dieser Arbeit entschied ich mich für eine grafisch-plastische Bearbeitung in Form von Texturen und Strukturen , für die ich alle möglichen Werkzeuge verwendete. Das Verfahren selbst ähnelt einem Web-oder Knüpfvorgang. So wie ich bei den Schnitten auf das Raster reagiert habe, sucht  ich beim Punzen, Ziselieren, Gravieren einen Rhythmus, der  auf das Raster Bezug nimmt. Zugegebenermassen ist das ein von Intuition bestimmtes Vorgehen, ein Spiel mit dem orthogonalen Gitter, ein mutwilliges Überspringen von Grenzen, ein kurzes Zusammenklingen um dann zu noch größeren Bögen oder filigranen Verdichtungen zurückzukehren. Dabei wurde mir aber wieder deutlich wie sehr ich auf dieses Wechselspiel von Regelhaftigkeit und Spiel fixiert bin. Es ist ganz offenssichtlich der Motor meiner Kreativität.

English Summary

Punching, driving, chasing of thin sheet metal is familiar to arts and crafts since at least 4000 years. Gold cups from Mykene or the discoveries in the tomb of Tut ench Amun are impressing examples. Today is this craft not in the focus of the arts. I use sheet metal since 20 years for statues and as picture area for paintings. Cutting the picture area with plate-shears produced reliefs, which I then painted with laquer. Following my thesis of a grid-based design (s. Nr. 121) I scratched a grid on an aluminium-sheet and worked than with all kind of tools, without colours, ony punching, hammering, pressing,chasing.The result is a texture with a particular rhythm. It is more a creative answer to the straight grid than following the order.

Das fertige Relief 45×65 cm Copyright Axel von Criegern, 2018