Dieses Bild stand, bzw hing jahrelang unbeachtet im Atelier. Es stammt aus einem Projekt, in dem ich mich mit einem Bild des niederländischen Malers Jan Steen (1626-1679), das in der Staatsgalerie Stuttgart hängt, auseinandersetzt hatte. Steens Bild steht für den Anfang meiner langen Bemühungen, der Kunstwissenschaft neue Impulse zu geben. Seine Ikonographie war Gegenstand eines Beitrags für die traditionelle niederländische „Tijdschrift voor kunsthistorische Documentatie“, 1/1971, S. 9 ff. In den folgenden Jahren habe ich daran gearbeitet, die Ikonografie, gestützt auf Aby Warburg und Erwin Panofsky mit den Erkenntnissen des Strukturalismus zu verbinden. Steen war dabei mein solides Fundament. Das eröffnete neue Handlungsräume für eine Didaktik der Kunst. („Transferstruktur“,1974; Struktur und Politik, 1975). 1976 wies ich die kunstgeschichtlichen Quellen der Fotos einer Ausgabe des „Stern“ nach.
Ab 1984 fand ich es an der Zeit der geistesgeschichtlich begründeten Kunstgeschichte durch die eigene künstlerische Praxis Neuland zu erschließen(„Abzeichnen als ikonologisches Training“). So meinte ich sie wieder mit ihrem Gegenstand , der Kunst, lebendiger verknüpfen zu können.
Mehrere Erlebnisse hätten mir eigentlich klar machen müssen, dass diese VISION nicht auf Gegenliebe stösst. Als Götz Adriani mir 1999 die Gelegenheit bot ein erstes Projekt über ein Bild Steens in der Tübinger Kunsthalle zu zeigen, machte er bei der Auswahl der Objekte freundschaftlich deutlich, dass er meine Hinweise auf den Sinn des Projekts nicht ausstellen würde. Im Katalog konnte ich einiges davon unterbringen( „Eine fröhliche Gesellschaft“… 1999). Gut, der Glamour einer großen Ausstellung wirkte hier mildernd und mein Studienfreund Peter Schuster, frisch gebackener Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin sprach in seiner Einführung von einer „zweiten, künstlerischen Dissertation“.
Ganz krass fielen meine Versuche mit dem Stuttgarter „Abschied von einem Wirtshaus“ (ab 1999), auf das sich das Beitragsbild bezieht,aus. Dadurch dass die Beschriftung des Bildes im Museum auf meinen Text in „Oud Holland“ zurückgriff, fühlte ich mich ermutigt, mit dem Leiter der Abteilung „Niederländische Malerei“ Kontakt aufzunehmen. Es meldete sich eine Kollegin, weil der Leiter in Pension gegangen wäre. Dieses Treffen endete für mich und meine VISION desaströs. Da ich schließlich eine Vision an die Frau bringen wollte, hatte ich mich in einen Sommeranzug geworfen, eine zentnerschwere Mappe mit „Abfahrten“ zusammengestellt und bin nach Stuttgart gebraust. Den Porsche parkte ich vor der Tür und schleppte meine Mappe in die kühlen Gänge. Im verabredeten Raum erwartete mich eine todschicke junge Frau, die gleich bekannte, dass sie von den Niederländern eigentlich keine Ahnung hätte und hier nur in Vertretung sitze. Sie verstand mein Konzept überhaupt nicht, bzw. zeigte null Interesse und überlegte, wer im Haus etwas aus meiner Mappe ankaufen könnte. Au weia. Auf der Rückfahrt nach Tübingen hätte man mich ununterbrochen laut im offenen Auto fluchen hören. Angereichert durch ein Blechfiguren-Theater, eine Groteske im Stil des „Peter Squenz“, eine Reihe von Computer-Bildern u.v.a.m. wurde das Projekt dann in der Kunsthalle Gießen und in der Kulturhalle in Tübingen gezeigt.
Und nun der zweite Akt: Als ich von der Ernennung Sean Rainbirds zum neuen Direktor der Staatsgalerie Stuttgart gehört hatte, vergaß ich meine Wunden und packte ein Paket mit CD‘s und dem hübschen Katalog und schickte das ganze Konvolut an den neuen Mann. Wie Don Quichotte war auch ich viel zu stolz um nachzufragen und wartete. Wartete und wartete. Eines Tages kam mein Paket ungeöffnet mit einem netten Brief zurück. Da er ja nun die Staatsgalerie verlasse(2012!), habe er seinen Schreibtisch aufgeräumt und das Paket entdeckt. Er habe das beiliegende Schreiben gelesen, fände meinen Vorschlag sehr interessant und bedaure sich damit nicht mehr beschäftigen zu können…
Jan Steen war und ist mein Künstlerfreund und ich habe noch zwei weitere Projekte mit ihm gemacht. In dieser Rollenverteilung ist er mein Sancho Pansa.
#Literatur zu meinen Steen-Projekten siehe www: axel-von-criegern.de. Siehe auch Bibliographie in „Wie geht Kunst?“ (edition canz, 2019)
English Summary
Studying art and art history is exciting but also dangerous. Conflicts are inevitable. My vision was to revitalize the task of an art historian as practicing artist. I should have been warned when I studied Iconography and Iconology. Prof. Günter Bandmann and his assistants had a lot of enemies. But as a young selfconfident artist I didn’t care for that. Those teachers were simply great. But when I started with some challenging papers and projects I had to realize that one cannot break a solid academic wall , specially if it is a „ivory tower“. Pretty late I realized that I belonged to these characters Don Quichotte stands fore.