Einem -aus meiner Sicht-jungen Archäologen der Uni Tübingen (Prof.Dr. Richard Posamentir) verdanke ich das angenehme Gefühl, dass die historische griechische Kunst noch gegenwärtig ist. Völlig unangestrengt gelang es ihm die Gipsabgüsse in der Sammlung auf Schloss Hohentübingen in einem Vortrag vor württembergischen Kunsterzieher(rinne)n lebendig zu machen. Die Figuren, ihr Thema und ihre Gestaltung wurden in Vergangenheit und Zukunft und anderen Kulturen aufgespürt! Es war, als ob sie aus ihrem Winckelmannschen,mattweissen Gefängnis befreit worden wären. Seit meinem lange zurück liegenden Archäologiestudium habe ich das selten erlebt. Ein solches Vorgehen ist mir eher aus der Kunstgeschichte Marke Ikonologie vertraut.
Die Zeitmaschine versetzte mich in eine nun schon einige Jahre zurückliegende Situation in eben dieser Abgussammlung. Ich hatte mir von der damaligen Sammlungsleiterin die Erlaubnis geholt in den heiligen Hallen mit meinem Zinkblech und zugehörigen Werkzeugen während der Besuchszeiten zu arbeiten. Ich suchte „bekannte“ Skulpturen aus und begann mit Zeichnungen auf Papier. Dann ging es ohne Vorzeichnung ans „freie“ Schneiden aus einem Stück ohne Abfall. Das klingt komisch, ist aber ein disziplinierendes Prinzip. Man ist dadurch gezwungen die Nachbildung nicht nur so stimmig und ästhetisch wie möglich anzugehen, sondern auch „ökonomisch“. Die größten Schwierigkeiten machten die Figuren, bei denen die „Plinthe“ ( Sockel) ebenfalls aus diesem einen Stück Blech geschnitten werden musste. Das war z.B. beim hier nicht abgebildeten „Sterbenden Gallier“ der Fall. Wohl um die Farbenfreude der alten Griechen wissend, habe ich einige Ergebnisse anschliessend mit Buntlack farbig gefasst. Sich aktiv gestaltend zwischen diesen Ikonen zu bewegen und sich sozusagen in ihre künstlerischen Probleme und Lösungen einzumischen, hinterlässt einen bleibenden Eindruck von Vertrautheit.
English summary
One day I had the chance to work in the show room of the Department of Archaeology at the MUT (Museum of the University Tübingen). I chose some plaster cast prominent statues and started to cut them in zinc. Cutting the metal I didn‘t want to waste even a tiny piece folding and bending them to statues I tried to stay close to the original. Some of them were painted in bright lacquer afterwards, well aware of the polychrome-struggle since the 19th century. It was exciting to dive this way into a time,that was so important for the western culture.
Posamentir, Richard: „Den steinernen Figuren auf den Grund gehen- ausgewählte Beispiele der griechischen Plastik und ihre tiefere Bedeutung“ und: „Not the Classical Ideal- der Blick der Griechen auf das Fremde in Plastik und Vasenmalerei“. Der Vortrag wurde am 27. Januar 2018 gehalten. Eine schriftliche Fassung ist mir nicht bekannt.