Heute hatte ich Besuch von Ludwig Duncker, einem Freund , Kunstliebhaber und renommierten Erziehungswissenschaftler. Als ich ihm meine Holzarbeiten und meine Arbeitsmethode vorstellte, erinnerte er sich an Michelangelos kesse Behauptung, dass seine Figuren bereits im Stein verborgen seien und es lediglich darum ginge sie Schicht für Schicht freizulegen. Das stiess mich auf einen gravierenden Unterschied. Ich schneide ins Holz und sofort reagiert das Gehirn mit Form-Vorstellungen. Gehirn und Holz modellieren zusammen eine „Figur“. Vorher existierte nicht einmal eine Vorstellung von ihr. Michelangelo konnte nicht so vorgehen. Er war (wie alle Künstler dieser Zeit ) im Kanon der damaligen Themen gefangen. Er konnte und durfte nicht eine Form jenseits davon (er)finden. Dass das im Alter immer schwerer zu ertragen war, zeigen die „halbfertigen“ Skulpturen und jene, die durch zerstörerische Eingriffe in eine neue ästhetische Wirklichkeit gestellt wurden. Schon in der Jugend hat mich die „Pieta Rondanini“ durch ihre expressive Archaik tief beeindruckt. Um den Unterschied zu heute zu demonstrieren, zeigte ich meinem Besucher eine Stele, die nach Monaten quälender Arbeit aus einem mir unbekannten, exotischen, sehr harten Holzscheit entstanden war. Quälend auch in dem Sinne , dass ich dauernd Spreißel unter die Haut geschossen bekam. Die Qual hatte erst ein Ende als Hirn, Holz und Hand nicht mehr weiter wussten und keineswegs erst als ich eine vorgestellte oder gewünschte Gestalt aus dem Material befreit hatte.
Michelangelo „freed“ his figures from the stone. Today I start without any idea and work until a satisfying condition is reached.
Ich kann für so viel Freundlichkeit nur danken! Wir werden schon noch auf Dissens stoßen. Alles Liebe, Axel
Ein bemerkenswerter und nachvollziehbarer Vergleich!